Sprachliche Verbindungen im Laufe der Geschichte: Ungarische Lehnwörter im Deutschen

 

  1. Einleitung

Die Begegnungen der Ungarn mit den Deutschen (seit dem 9. Jh.) und die Ansiedlung der Deutschen in Ungarn (seit dem 10. Jh.) brachten nicht nur kulturelle Einflüsse mit sich, sondern auch einen regen Austausch von Lehnwörtern zwischen den beiden Sprachen. Im Folgenden werden einige Beispiele vorgestellt, um aufzuzeigen, wie Wörter wie Husar, Kutsche, Tollpatsch und Gulasch ihren Weg in die deutsche Sprache gefunden haben. Diese Wörter sind nicht nur linguistische Zeugen der deutsch-ungarischen Geschichte, sondern spiegeln auch die kulturellen Verbindungen wider.

  1. Geschichte der deutsch-ungarischen Begegnungen

Die Geschichte der deutschen Ansiedlung in Ungarn erstreckt sich über verschiedene Etappen.

Die Ungarn hatten bereits in den Jahrzehnten vor der Landnahme (895/896) Kontakt zu deutschsprachigen Volksgruppen: ungarische Truppen griffen in den frühen 860er Jahren auf Raubzügen das Ostfränkische Reich an. In dieser Zeit hatten die Ungarn mehrere Erkundungs- und Plünderungszüge im heutigen Westtransdanubien unternommen, und es ist gut möglich, dass durch diese sporadischen und losen Kontakte deutsche Wörter ins Ungarische eingeführt wurden, obwohl wir keine schriftlichen Quellen haben, die dies bestätigen.

Im 11. Jh. kamen Deutsche, darunter hohe Geistliche, Adelige und Beamte, mit Königin Gisela nach Ungarn. Ab dem 12. Jh. folgten Kaufleute, Handwerker und Bauern, die zur Entwicklung der Industrie beitrugen und u.a. die Bergmannssprache entwickelten. Sie gründeten ihre Städte in Westungarn, Oberungarn, Binnenungarn und Siebenbürgen. 

Die deutsche und ungarische Sprache hatten also Kontakte im höfisch-kirchlichen und bürgerlich-bäuerlichen Bereich: es wurden Namen sowie Wörter aus den Bereichen Religion, Adel, Kirche, Landwirtschaft und Bürgertum entlehnt. Im Laufe der Zeit spielte auch die österreichische Verkehrs- und Verwaltungssprache sowie die deutsche Standardsprache in den Sprachkontakten eine wichtige Rolle. Die Besiedlung durch Deutsche führte auch zur Verbreitung der Zweisprachigkeit, wobei deutsche und ungarische Elemente in beide Sprachen integriert wurden. Zudem studierten seit dem 14. Jh. ungarische Studenten an deutschen Universitäten und trugen zu den Sprachkontakten bei. 

Die Sprache des ungarländischen Schrifttums war bis zur ersten Hälfte des 14. Jh. Latein. Später erschienen ungarischsprachige und – hauptsächlich im Westen Ungarns – auch deutschsprachige Urkunden. Nach dem Magdeburger Recht, einer aus der Stadt Magdeburg stammenden Form des Stadtrechs, wurden in verschiedenen Städten Ungarns Rechtsbücher in deutscher Sprache verfasst: 1378 in Sillein/Zsolna, 1435-1450 in Ofen/Buda.

In Ungarn lebten und wirkten deutsche Literaten wie Liebhart Eggenfelder (1387-1457), Stadtschreiber von Ödenburg/Sopron und Pressburg/Pozsony oder der Dichter Hans Wiener aus Ödenburg/Sopron (16. Jh,).

Nach der Befreiung von der türkischen Herrschaft (1526-1686) erfolgte eine große Wanderungsbewegung von deutschen Siedlern, der sog. “große Schwabenzug”. Sie kamen in drei Wellen: unter Kaiser Karl VI. (1722-1726, Karolinische Kolonisation), unter Maria Theresia (1763-1773, Theresianische Kolonisation) und unter Joseph II. (1782-1787, Josephinische Kolonisation). Deutsche Bürger waren in ungarischen Städten zunehmend präsent, und Deutsch wurde zwischen 1784 und 1790 auch als Amtssprache Ungarns verwendet.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die ungarische Hälfte des Habsburgerreichs durch die Unterzeichnung des Friedensvertrag von Trianon (1920) unter sechs Staaten aufgeteilt. Von den ursprünglich 21 Millionen Einwohnern fanden sich mehr als 50% in den Nachbarstaaten wieder – ethnische Ungarn, aber auch Ungarndeutsche. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ein Großteil der Ungarndeutschen vertrieben und die, die in Ungarn blieben, trauten sich nicht, Deutsch zu sprechen. Ein großer Sprachverlust war die Folge.

Heute leben ca. 200 000 Ungarndeutsche in Ungarn und bilden die zweitgrößte ethnische Minderheit des Landes. Obwohl der Dialekt der Ungarndeutschen umgangssprachlich oft als “Schwobisch” bezeichnet wird, sprechen heute tatsächlich nur etwa 2% der Ungarndeutschen Schwäbisch.

  1. Die ungarischen Lehnwörter der deutschen Spache

Hier werden Lehnwörter vorgestellt, die im gesamten deutschen Sprachgebiet bekannt sind und ihren Weg ins Hochdeutsche gefunden haben.

  1. Husar

Der Begriff Husar tauchte im 15. Jh.in der deutschen Sprache auf und bezeichnete einen berittenen ungarischen Soldaten, später einen Angehörigen einer leichten Reitertruppe, der meist eine an ungarische Uniformen angeglichene Kleidung trug. Das Wort wurde aus dem Ungarischen entlehnt, huszár bedeutet dort einen bewaffneten leichten Reiter. Früher wurden auch in Dienste stehende berittene Räuber – Mitglieder der unter Matthias Corvinus (1443-1490) aus herumstreifenden Bauernburschen entstandenen Reiterei – huszár genannt, durch sie wurde die Bezeichnung in Europa bekannt. Im Ungarischen ist es ein kroatisches Lehnwort, hȕsār, gȕsār oder früher gursar und kursar, mit der Bedeutung ‘Seeräuber, Pirat, Freibeuter’. Diese Wörter wiederum haben ihre Wurzeln im Lateinischen mit cursarius oder corsarius, abgeleitet von lat. cursus, was ‘Lauf, Fahrt, Weg, Gang’ bedeutet.

  1. Kutsche

Das Wort Kutsche stammt ebenfalls aus dem Ungarischen: ung. kocsi ist eine Verkürzung, die im Jahr 1493 entstand. Es leitet sich von kocsi szekér ab, was ‘Wagen aus Kocs’ bedeutet. Kocs ist ein Ort im nordungarischen Komität Komárom-Esztergom, der sich auf der Strecke zwischen Wien und Buda befindet. Er diente als Station für den Pferdewechsel für den regelmäßigen Reisewagendienst zwischen den beiden Städten. Man kann sich vorstellen, dass Gruppen von Studenten aus Ungarn, die an der Universität Wien studierten, diesen bereits im 15. Jh. bestehenden Dienst oft genutzt haben. Der Wagen aus Kocs war leicht und wurde von drei Pferden gezogen. Im Deutschen wurde die Kutsche anfangs als Cotschien Wägnen, Gutschenwagen, Gotschiwagen, Gotzig Wegen, oder Kutzschwagen bezeichnet, später entstanden die Wörter Gutsche, Gotzi, Kotsche und Kutze.

  1. Tollpatsch

Ein Tollpatsch ist heute ein ungeschickter, unbeholfener Mensch. Mit dem ungarischen Wort talpas ‘mit Sohle versehen; breitsohlig, groß-, breitfüßig’ – abgeleitet von ung. talp ‘Sohle’ – wurde im 17. Jh. ein ungarischer Infanterist, der anstelle der Schuhe breite, mit Schnüren befestigte Sohlen an den Füßen trug, bezeichnet. Im Oberdeutschen entwickelte sich im 18. Jh. zunächst die Bedeutung ‘Soldat des österreichisch-ungarischen Heeres, der nur unbeholfen deutsch spricht’. Ende des 18. Jh. entstand mit der Verbreitung des Wortes im übrigen deutschen Sprachgebiet die Bedeutung, die wir heute kennen.

  1. Gulasch

Gulasch ist ein Gericht aus Ungarn, bestehend aus Fleischwürfeln in einer mit Paprika gewürzten Soße. Das Wort Gulasch ist im Deutschen seit der Mitte des 19. Jh. bekannt und wurde über österreichische Vermittlung aus dem Ungarischen entlehnt. Das ungarische gulyás ist wiederum eine verkürzte Form von gulyás hús, was ein scharf gewürztes Fleischgericht bezeichnet. Dieses Gericht wurde traditionell von Rinderhirten in einem Kessel gekocht, daher auch der Name Rinderhirtenfleisch. Die ungarischen Wörter gulyás und gulás ‘Rinderhirte’ leiten sich von gulya und gula ‘Rinderherde’ ab.

  1. Schlussfolgerung

Die Erforschung dieser Lehnwörter und der deutsch-ungarischen Sprachkontakte zeigt eine spannende Geschichte und enge Verbindung zwischen dem Deutschen und dem Ungarischen. Sprache und Kultur verbinden Menschen über Grenzen hinweg und prägen sich gegenseitig. Dieser fortlaufende Einfluss ist bis heute spürbar und bereichert beide Sprachen. Es stellt sich die Frage, wie diese anhaltenden sprachlichen und kulturellen Austausche zwischen Ländern auch in Zukunft unsere globale Vernetzung gestalten und neu definieren werden.

  1. Quellen

Fichtner, Karin: Die Donauschwaben. https://blog.stud.uni-goettingen.de/finnougristik/2018/03/22/die-donauschwaben, abgerufen am 07.07.2023.
​​
Gerstner, Károly: Német jövevényszavak. In: Kőszeghy, Péter – Tamás, Zsuzsanna (red.): A magyar régiség művelődéstörténetének adatbázisa (a kezdetektől a 18. század végéig). http://mamul.iti.mta.hu/MAMUL6/mamul_view.php?editid1=176, abgerufen am 07.07.2023.

Mollay, Karl – Bassola, Peter (2004): XIX. Das Deutsche Im Sprachenkontakt I: Systematische Und Soziologische Aspekte: 206. Ungarisch/Deutsch. In: Sprachgeschichte 4 Teilband: Ein Handbuch zur Geschichte der Deutschen Sprache und Ihrer Erforschung (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft; Band 2.4). 3218-3229.

OpenAI (2023): ChatGPT (Version 3.5). https://openai.com, abgerufen am 06.07.2023. 

Wolfgang Pfeifer et al. (1993): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache. https://www.dwds.de/d/wb-etymwb, abgerufen am 06.07.2023.Wissen.de: Wahrig Herkunftswörterbuch: Tollpatsch. https://www.wissen.de/wortherkunft/tollpatsch, abgerufen am 06.07.2023.

Titelbild: Than, Mór: Pihenő Károlyi-huszárok. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Than_Karolyi_huszarok.jpg#/media/Fájl:Than_Karolyi_huszarok.jpg, Public Domain

Text: Erik Duchnowski, Boston University Academy, Boston (USA)