„Finno… das habe ich ja noch nie gehört!“

– „Ich studiere seit Oktober Finnougristik.“
– „Finno… das habe ich ja noch nie gehört!“
– „Finnougristik. Finnisch-Ugrische Sprachen und Kulturen.“
– „Also Finnisch?“
– „Auch. Aber da gibt es noch viel mehr…“

So oder so ähnlich könnten eure nächsten Gespräche anfangen, wenn ihr euch für ein Finnougristikstudium entscheidet. Es ist eines dieser ominösen Orchideenfächer, ein Begriff, den man schon mal gehört hat, aber von denen die meisten Menschen keines nennen können. Dabei sind es insbesondere diese kleinen Fächer, die sehr viel zu bieten haben! Glaubst du nicht? Dann lass dich vom Gegenteil überzeugen.

Eine Grundvoraussetzung, die du für ein Studium mitbringen musst, ist ein Interesse an Sprachen, denn es ist eine Sprachwissenschaft. Das bedeutet, dass du dich im Studium mit der wissenschaftlichen Erforschung von Sprachen beschäftigst – in unserem Fall sind das die der finnougrischen Sprachfamilie. Das heißt konkret, dass du zunächst die Grundlagen der sprachlichen Strukturen kennenlernen wirst, denn die unterscheiden sich vom Deutschen, Englischen oder Spanischen. Ein paar Beispiele?

  1. Ein Verb für haben gibt es nicht:
    Minulla on kissa. – Ich habe eine Katze.
    Die wörtliche Übersetzung ist aber: Bei mir (minulla) ist (on) eine Katze (kissa).
  2. Verneinen? Dazu gibt es verschiedene Lösungen und die spannendste ist vielleicht das Verneinungsverb. So kann beispielsweise die Person an diesem ausgedrückt werden. Im Wotischen sieht das so aus:
    emmä saa Wir bekommen nicht – also: Wir nicht (emmä), bekommen (saa)
  3. Besitz kann man mit den sogenannten Possessivsuffixen anzeigen. Im Ungarischen kann das so aussehen:
    macskám – meine Katze. Katze (macska), meine (-m)

Das sind doch alles eigentlich recht praktische Dinge, oder nicht? In den sprachwissenschaftlichen Kursen wirst du noch viel mehr spannende Strukturen kennenlernen – und im Sprachunterricht, denn der gehört bei uns auch dazu.

Du hast die Möglichkeit, bei Muttersprachlerinnen Finnisch und Ungarisch zu lernen. Eine dieser Sprachen wählst du im Bachelorstudium als deine Hauptsprache und kannst sie alle sechs Semester lang genießen. Unsere Kurse sind klein und das ist für dich von großem Vorteil, weil du dann viel besser und intensiver lernen wirst. Die Dozentinnen können Rücksicht auf deine Fragen und Probleme nehmen und dir Tipps geben, wie du dein Können in Sachen Wortschatz und Grammatik noch weiter verbesserst. Außerdem studierst du mit motivierten KommilitonInnen zusammen und hast sogar die Gelegenheit, im Ausland jedes Jahr Sommerkurse zu besuchen. Die gibt es übrigens auch für die kleinen Sprachen wie Udmurtisch oder Mordwinisch. Klingt komisch? Nicht wirklich, Komi ist nämlich eine eigene Sprache (oder auch zwei, denn es gibt Komi-Permjakisch und Komi-Syrjänisch) und hat somit ihren ganz eigenen Klang.

Neben Sprachen und Sprachwissenschaft sind auch kulturelle Themen bei uns ein wichtiger Bestandteil. Es gibt Kurse zur Landeskunde und Kultur Finnlands und Ungarns, damit du zum Experten für diese Länder werden kannst! In Literaturkursen lernst du dich wichtigsten Bücher und Autoren kennen und selbst die Folklore der kleinen Völker kannst du bei uns kennenlernen! Ganz nebenbei baust du auch noch Kompetenzen auf, die dir in deinem späteren Berufsleben helfen können: Schreib- und Lesekompetenz, interkulturelle Kompetenzen und ein Verständnis für große Zusammenhänge. Kurzum: Du studierst bei uns mehr als nur stumpfe Inhalte!

Hast du jetzt Interesse bekommen? Hast du noch Fragen? Dann melde dich gerne bei uns. Du kannst uns jederzeit per Mail kontaktieren oder einen der kommenden Beratungstermine (natürlich virtuell) wahrnehmen und unsere Schnupperkurse besuchen. Wie das geht? Einfach zu einem der Termine unten auf den entsprechenden Link klicken und dabei sein!

Wir freuen uns auf dich!

Studienberatung
Fr. 05.06.2020, 11:00-12:00 Uhr
Mi. 17.06.2020, 16:00-17:00 Uhr
Do. 02.07.2020, 17:30-18:30 Uhr
via Big Blue Button https://meet.gwdg.de/b/kat-97h-xc4
keine Voranmeldung nötig

Schnupperkurse
Ungarisch: Mi. 17.06.2020, 14:30-15:30 Uhr via Zoom (Voranmeldung an judit.molnar@phil.uni-goettingen.de erbeten, damit die Dozentin Material und Link zur Verfügung stellen kann)

Finnisch: Do. 02.07.2020, 16:00-17:00 Uhr via Big Blue Button (https://meet.gwdg.de/b/tii-7cu-ffj , keine Voranmeldung nötig)

Titelbild:
https://unsplash.com/photos/6RTM8EsD1T8
Weitere Bildquellen:
https://unsplash.com/photos/vGReyBvIX-o
https://unsplash.com/photos/gYdjZzXNWlg
https://unsplash.com/photos/3i3orNNtd5A

Du studierst Finnowas?!

“Du studierst Finnowas?!”

So oder so ähnlich lautet meist die erste Frage, die man beantworten muss, wenn man als Studierender der Finnougristik anderen Menschen von seinem Studienfach erzählt. Die wenigsten können mit dem Begriff etwas anfangen und sind meist sehr überrascht, wenn sie hören, dass es so etwas gibt wie eine finnisch-ugrische Sprachfamilie und dass Finnisch und Ungarisch miteinander verwandt sind. Dies und noch weitaus mehr lernt man, wenn man sich für ein Studium der Finnougristik (oder auch: Finnisch-Ugrische Philologie) entscheidet.

Bei uns in Göttingen gibt es zwei wesentliche Studienbestandteile, die Sprachwissenschaft und die Sprachlehre. Man lernt also nicht nur einige der Sprachen, sondern beschäftigt sich auch damit, was diese Sprachen ausmacht und warum sie miteinander verwandt sind. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Sprachen werden analysiert und man studiert die historische Entwicklung, nur um einige Beispiele zu nennen. Natürlich gibt es in der Sprachwissenschaft noch viele weitere Bereiche, die auch für ein Studium unseres Faches eine Rolle spielen und die man im Laufe des Studiums kennenlernen wird.

Finnisch-ugrische Sprachen gibt es insgesamt 15, auf die sich ca. 22 Millionen Muttersprachler verteilen. Die bekanntesten dieser Sprachen sind Finnisch, Estnisch und Ungarisch. Finnisch und Ungarisch kann man an unserem Seminar als Schwerpunkt studieren. Aus den beiden “großen” Sprachen wählt jeder Studierende zu Anfang seine Wunschsprache als Erstsprache aus – aber keine Sorge! Auf die andere Sprache muss man keineswegs verzichten, denn man belegt während des Bachelor-Studiums auch einen Anfängerkurs in der Zweitsprache. In diesem erlernt man die wichtigsten Grundlagen und Strukturen.

Ein paar weniger bekannte Sprachen, die ebenfalls zur finnisch-ugrischen Sprachfamilie gehören, sind beispielsweise Wotisch, Ingrisch, Udmurtisch, Mordwinisch oder auch Mansi. Die Namen mögen am Anfang vielleicht noch etwas seltsam klingen, aber spätestens nach zwei Semestern sind sie etwas, was jedem leicht über die Lippen gehen wird.

Dass die Finnen in Finnland, die Esten in Estland und die Ungarn in Ungarn leben, ist natürlich keine große Überraschung, doch wo leben die Völker der anderen 12 Sprachen?
Sie verteilen sich auf ein sehr großes Gebiet, das von Skandinavien über das Baltikum bis nach Sibirien reicht. So gibt es beispielsweise die Sami in Norwegen, Schweden, Finnland und auf der Kola-Halbinsel, die Liven lebten im heutigen Lettland und die meisten finnougrischen Völker haben ihre Heimat auf russischem Staatsgebiet.

Wer sich für ein Finnougristik-Studium entscheidet, hat es also mit einer Vielzahl an interessanten Sprachen und Kulturen zu tun und lernt, wie Sprachwissenschaft funktioniert. Seiner Familie und seinen Freunden hat man immer wieder etwas Spannendes zu erzählen, denn man lernt jede Woche neue Dinge, die man vorher noch nicht über die Finnougrier und ihre Sprachen wusste.

Bildquelle: pixabay.com

Sieben Gründe Finnougristik zu studieren

Die Finnougristik ist ein Studienfach, das einem nicht jeden Tag begegnet. Wir wollen euch heute sieben Gründe vorstellen, warum es sich lohnt, ein solches Studium aufzunehmen!

    1. Spannende Sprachen, die nicht jeder spricht
      Wie viele Menschen kennst du, die Finnisch, Ungarisch oder gar Estnisch sprechen? Bei uns in Göttingen kann man alle drei Sprachen studieren und man lernt auch noch einige der sogenannten “kleinen Sprachen” kennen – zum Beispiel Udmurtisch, Karelisch, Livisch oder Mordwinisch. Von diesen spannenden Sprachen haben die meisten Leute noch nie etwas gehört und bei uns gehören sie zum Fachgebiet.

    2. Sehr großes Fachgebiet
      Die Sprachwissenschaft ist bei uns in Göttingen der Hauptschwerpunkt, aber die Finnougristik hat auch noch weitere Themenfelder zu bieten: In den Landeskundekursen beschäftigt man sich mit der Kultur und Geschichte der Länder. Es gibt auch Kurse zu Literatur und Folklore, sodass jeder bei uns auf sein Kosten kommt.

    3. Immer ein interessantes Gesprächsthema
      Wer sich für ein Finnougristik-Studium entscheidet, hat immer ein Gesprächsthema parat. Wenn die Verwandten auf dem nächsten Geburtstag oder die Freunde auf der nächsten Party fragen, was man so macht, hat man direkt viel zu erklären – und zu erzählen!

    4. Auslandsaufenthalte
      Bei uns hat man auch die Möglichkeit, für ein bis zwei Semester im Ausland zu studieren. Wir haben Partneruniversitäten in Estland, Finnland und Ungarn und diese Austauschprogramme können sogar mit Stipendien gefördert werden. Sie sind immer eine gute Möglichkeit, Land, Leute und Sprache direkt und vor Ort besser kennenzulernen und man knüpft viele neue Kontakte. Erst im letzten Monat haben wir hier einen Bericht zu einem Erasmusaufenthalt in Finnland veröffentlicht.
      Zusätzlich gibt es auch Sommerkurse in allen drei Ländern und teilweise bei den kleinen finnougrischen Völkern in Russland. Auch bei derartigen Kursen nehmen viele unserer Studierenden regelmäßig teil, um ihre Sprachkenntnisse vor Ort zu verbessern. Darüber kann man auf unserem Blog ebenfalls Berichte nachlesen.

    5. Andere Länder – andere Sitten
      Man lernt bei uns nicht nur fremde Sprachen, sondern auch neue Kulturen kennen. Wie ticken die Finnen? Was ist das Nationaltier der Esten und was steckt hinter den Klischees, die wir über Ungarn kennen? Aus den verschiedensten Themenfeldern ist für jeden etwas dabei: Geschichte, Literatur, Kunst, Geographie, Wirtschaft oder auch Brauchtum.

    6. Vielseitige Kenntnisse
      Bei uns erwirbt man nicht nur sprachwissenschaftliche Kenntnisse und die Fähigkeit, eine neue Fremdsprache zu sprechen. Man trainiert im Studium seine Auffassungsgabe und das Verständnis von neuen Inhalten. Man lernt, mit neuen Sprachen zu arbeiten, selbst wenn man sie bisher nicht oder nicht so gut beherrscht. Man lernt Texte zu verarbeiten, selbst zu schreiben und entwickelt seine Methodikkompetenzen.

    7. Mehr als nur Inhalte
      Ein Studium der Finnougristik bedeutet mehr als nur Inhalte zu lernen, denn es ist eine Bereicherung. Wer Interesse an besonderen Sprachen, die nicht mit Sprachen wie Englisch oder Französisch verwandt sind, und fremden Kulturen hat, ist in der Finnougristik genau richtig. Neben den Vorlesungen gehören auch gemeinsame Unternehmungen wie regelmäßige Treffen zum Mölkky zu unserem Programm. Die Studierenden besuchen zusammen die jährlich stattfindende Studierendenkonferenz IFUSCO (International Finno-Ugric Students’ Conference), die in Göttingen ihre Wurzeln hat, und organisieren gemeinsam Sommer- und Weihnachtsfeiern, sowie Veranstaltungen zu den wichtigsten Feiertagen der drei großen finnougrischen Nationen.

 

Wenn du jetzt Lust auf ein Studium bei uns bekommen hast, kannst du dich auf unserer Homepage über die genauen Inhalte informieren und dich noch bis zum 30. September direkt bei uns an der Universität einschreiben. Wir freuen uns auf dich!

 

Bildquelle: pixabay

Was ist Finnougristik?

Üblicherweise teilt man die Sprachen der Welt in Sprachfamilien ein, das heißt, man fasst sie aufgrund von Verwandtschaft zusammen. In Europa ist die größte Sprachfamilie die indogermanische, zu der die germanischen, romanischen, slawischen, baltischen und keltischen Sprachen sowie das Griechische und das Albanische gehören. Mit deutlichem Abstand dazu steht die zweitgrößte Sprachfamilie, die finnisch-ugrische, die sich aus dem Ungarischen, Finnischen und Estnischen sowie zwölf kleineren Sprachen zusammensetzt, die vor allem in Russland gesprochen werden. Diese Sprachen sind neben den mit ihnen verknüpften Kulturen der Gegenstand der finnisch-ugrischen Philologie (oder Finnougristik).
Was ist das Besondere an diesen Sprachen? Und warum sich mit diesen Sprachen und Völkern beschäftigen?
Das Besondere an diesen Sprachen ist ihr Aufbau, der agglutinierend, d.h. anklebend, genannt wird. Dies besagt, dass diese Sprachen für jede Kategorie (bzw. Funktion) ein eigenes Suffix haben – im Gegensatz zum Deutschen, wo im Falle von ‘der Häuser’ der Genitiv durch den Artikel ‘der’ und der Plural durch die Endung -er (plus Umlaut) ausgedrückt wird; im Finnischen wäre das talojen, wobei -j- den Plural und -en den Genitiv ausdrückt. Solche Sprachen können Wörter mit einer Menge von Endungen bilden, die im Deutschen mit mehreren Wörtern, manchmal auch mit einem ganzen Satz wiedergegeben werden müssen. Ein Beispiel: talo-i-ssa-ni-ko-s (die Bindestriche trennen die einzelnen Endungen), auf Deutsch ‘in meinen Häusern?’.
Natürlich unterscheiden sich die finnisch-ugrischen Sprachen auch deutlich im Wortschatz vom Deutschen und den Schulsprachen, was die Sprachen sehr exotisch wirken lässt. Ist dies für den Erlerner eher eine Schwierigkeit, so lassen sich aber auch einige Vorteile benennen wie z.B., dass immer gesprochen wird, wie es geschrieben ist (man vergleiche dagegen das Englische, z.B. house) oder dass die Sprachen in aller Regel sehr regelmäßig sind, also nicht so viele Unregelmäßigkeiten aufweisen wie die uns bekannten Sprachen (z.B. gehen, ging, gegangen oder Vater, Väter).
Die finnisch-ugrischen Sprachen haben in Europa aufgrund ihrer Sprecherzahl (ca. 20 Mill. Sprecher) auch eine Sonderstellung: Sie sind immer von indoeuropäischen Sprachen umgeben, sie sind immer in der Minderheit (z.B. in der EU), die meisten finnisch-ugrischen Völker haben kein eigenes Staatsgebiet (z.B. das Samische) und sie leben zumeist in der Peripherie Europas – ausgenommen Ungarn. Dies geht einher mit deutlichen Unterschieden in der Kultur, der Literatur, der Mentalität und in den Gebräuchen.
Die Finnougristik beschäftigt sich nicht nur mit diesen Fragen, sondern auch mit der Geschichte dieser Völker: Woher stammen die Finnougrier? Wie kommt es dazu, dass die Finnen in Skandinavien und die Ungarn in Mitteleuropa leben? Auch die Frage, wie man die oftmals nicht offen sichtbare Verwandtschaft (z.B. zwischen Finnisch und Ungarisch) ermittelt, ist Gegenstand des Faches. Diese besondere Mischung der Forschungsfelder, verknüpft mit der Exotik der Sprachen, macht den Reiz des Studiums der Finnougristik aus.

Prof. Dr. Dr. h. c. Eberhard Winkler