Sándor Petőfi – eine Kraft der Märzrevolution

Ungarns bedeutender Dichter Sándor Petőfi (1823-1849) prägte nicht nur die ungarische Literatur, sondern spielte auch eine wichtige Rolle beim Ausbruch der ungarischen Revolution im März 1848. Er machte sich somit nicht nur als bekannter Schriftsteller, sondern auch als Freiheitskämpfer einen Namen.

Petőfi stammt aus Ungarn, wächst im Genuss guter Bildung auf, doch er schlägt einen anderen Weg, ohne Schulabschluss, als Dichter ein. Durch seinen Umzug nach Pest im Jahre 1844 verspricht er sich eine steigende Karriere als Dichter, die ihm mit Hilfe eines anderen Journalisten folglich gelang. In den darauffolgenden Jahren baute er seinen Erfolg aus. Seine Werke und seine sowohl thematischen als auch stilistischen Markenzeichen zeugen auch heute noch von großer Bekanntheit. Weitere Informationen zu Sándor Petőfis Wirken erfährt man in unserem letzten Blogbeitrag.

Trotz Petőfis höherem Bekanntheitsgrad als Dichter, nimmt seine Persönlichkeit, in Gedenken der Märzrevolution, bei dessen Anfängen und auch in den darauffolgenden Jahren, einen wichtigen Platz ein.

Historisch betrachtet befand sich Europa durch den Ausruf der zweiten französischen Republik am 24. Februar 1848 in Aufbruchsstimmung. Die bürgerlichdemokratische Revolutionswelle erfasste auch das Königreich Ungarn, Petőfis Heimatland.
Diese Welle traf durch die angespannte Lage im Kaisertum Österreich (Ungarn forderte den Ausbau der nationalen Unabhängigkeit) in Ungarn schnell auf Befürworter. Gewaltlose Massendemonstrationen in Pest und Buda ereigneten sich am 15. März, das sogenannte ZwölfPunkteProgramm der ungarischen Revolutionäre wurde von dem kaiserlichen Gouverneur akzeptiert und landesweite Aufstände brachen aus. Daraus resultierte der Ausruf einer neuen Regierung Ungarns, mit Lajos Batthyány als Ministerpräsidenten. Seine Regierung verabschiedete anschließend die sogenannten März– oder Aprilgesetze, die Ungarns Staatsform reformierten: Ungarn wurde eine konstitutionelle Monarchie.

Die ungarischen Revolutionäre forderten in ihrem Programm, das zur Freiheit der Bevölkerung und der Demokratisierung des Landes beitragen sollten, unter anderem die Pressefreiheit sowie die Aufhebung der geltenden Zensur und der Frondienste.

Unter den Revolutionären befand sich auch Sándor Petőfi. Er war vor allem am Ausbruch der Demonstrationen am 15. März 1848 beteiligt und ist somit einer der wichtigsten Repräsentanten, wenn man die Anfänge der ungarischen Revolution betrachtet.

Zur Zeit diesen Ausbruchs agierte Petőfi als einer der Anführer der radikalrevolutionären intellektuellen Jugend. Diese berief sich ebenfalls auf das ZwölfPunkteProgramm, das er gemeinsam mit anderen Revolutionären bei dem Versuch der Mobilmachung von Studenten proklamierte. Aus dieser Mobilmachung folgte der bekannte Aufstand für die Revolution.

Sándor Petőfis Gedicht Nationallied (Nemzeti dal) wurde durch seine spontane Darbietung anlässlich des Aufstands zu der Hymne der Revolutionäre (Talpra magyar, hí a haza!; zu deutsch: Auf, die Heimat ruft, Magyaren!). Es gelang durch den Zwang des Drucks des Gedichts, den die Revolutionäre auf die Druckerpresse ausübten, unzensiert in den Umlauf. Das Gedicht stößt bei der Bevölkerung auf Begeisterung, daher wurde es am selben Tag als Zeichen des Wandels bei der Volksversammlung erneut vorgetragen.

In den darauffolgenden Jahren wurde Petőfi Mitglied zahlreicher politischer Delegationen und Kommissionen. Er war Kapitän der Nationalgarde von Pest und schloss sich dem sogenannten Gleichheitsklub (Egyenlőségi Társulat), dem radikalsten Flügel der Revolution an. Im Oktober 1848 wurde er Hauptmann in Debrecen und ab 1849 diente er dem polnischen General Józef Bem in Siebenbürgen.

Sándor Petőfi fiel 1849 bei der Schlacht von Schäßburg, sein Grab ist bis heute unbekannt.

Petőfi zeigte zu seinen Lebzeiten politisches Engagement, sein Leben war eng mit dem Kampf um die Freiheit verbunden. Seine revolutionäre Seite erkennt man auch in seinen Werken wieder, politische Aspekte prägten diese in seiner gesamten schriftstellerischen Tätigkeit. Von Beginn an forderte er die Unabhängigkeit des ungarischen Nationalstaates.

Quellen:
Koch, Peter. Revolutionen in Ungarn. Umbruch 1989/90 und frühere Bewegungen. URL: https://osteuropa.lpb-bw.de/revolution-in-ungarn, abgerufen am 15.03.2023.
László Révész. Petőfi, Sándor. In: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Bd. 3. Hgg. Mathias Bernath / Felix von Schroeder. München 1979, S. 447-449 [Onlineausgabe]; URL: https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=1529, abgerufen am 15.03.2023.
Schlosser, Christine. 2009. Zwei Jahrzehnte ungarische Literatur in deutscher Übersetzung. 1988-2008. Eine kommentierte Bibliographie. Budapest.
Wollstein, Günther. 2010. Märzrevolution und Liberalisierung. URL: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/revolution-von-1848-265/9875/maerzrevolution-und-liberalisierung/, abgerufen am 15.03.2023.
https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A1ndor_Pet%C5%91fi, abgerufen am 15.03.2023.

Bildquellen:
Titelbild: gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pet%C5%91fi_Nemzeti_M%C3%BAzeum.jpg
Portrait: gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pet%C5%91fi_S%C3%A1ndor.jpg
Nationallied: gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:S%C3%A1ndor_Pet%C5%91fi#/media/File:Nemzetidal.jpg

Text: Liv Kallender, Gymnasium an der Stadtmauer Bad Kreuznach, Praktikantin

Sándor Petőfi – seine Wirkung als Dichter

Sein 200. Geburtstag, welcher sich am 1. Januar 2023 ereignete, bietet eine gute Gelegenheit den Dichter Ungarns zu betrachten, der die Zukunft entscheidend veränderte und die Vergangenheit nach seinem Bild umformte.

Sándor Petőfi (1823-1849) weist eine dokumentierbare Erfolgsgeschichte vor, die einzigartig für die ungarische Literatur ist. Diese zeugt allerdings auch von zahlreichen Verstößen gegen damalige literarische, gesellschaftliche und politische Normen.

Petőfi stammt aus einer Ungarisch sprechenden Familie slowakischen Ursprungs, die an einem lutherischen Glauben festhielt. Da seine Eltern seine schulische Ausbildung förderten, hatte er gute Chancen auf eine Karriere und damit auch auf soziale Mobilität, obwohl er aus keiner Adelsfamilie stammte. Doch als er 1842 bewusst das Gymnasium ohne schulischen Abschluss verließ, verzichtete er auf diese von seinen Eltern gebotene Möglichkeit.

Seine eigene Identitätsbildung wurde allerdings durch kollektive Adelsrechte, welche er durch seinen Vater erlangte (dieser erwarb einen Landsitz), geprägt. Petőfi war zwar nicht adelig gewesen, sondern gehörte lediglich einem gewissen Stand an, bis sein Vater seine Ländereien verlor, doch diese Zugehörigkeit hatte ihre Grenzen, die beispielsweise auch ein alter Mitschüler schilderte, Petőfi sei ein aufdringlicher, slowakischer und lutherischer Schüler.

Seine politische Karriere scheiterte bereits 1848 bei den Wahlen zum Parlamentsabgeordneten. Dort versuchte er, seine Wähler mit einem Wir-Bewusstsein zu überzeugen, doch dies blieb erfolgslos.

Sein Erfolg als Dichter war im Einklang mit dem damaligen politischen und gesellschaftlichen Wandel des Landes, es bildeten sich Tendenzen zur Demokratisierung. Die Kriterien zu der Zugehörigkeit einer Gesellschaft wandelten sich, ein neues Kulturverständnis und der Begriff der Volkskultur entstand. Somit bekam auch die literarische Kunst eine neue Bedeutung und eine Art Presselandschaft wurde in Ungarn gebildet.

Dank diesem Wandel erlangten auch Dichter*innen und Schriftsteller*innen einen neuen Status. Dies half auch Petőfi, als er in den 1840ern seinen Auftritt als Dichter begann. Um diese Karriere zu fördern und auszubauen, verließ er 1844 seinen damaligen Wohnort Debrecen und zog nach Pest, dort erhoffte er sich einen Aufschwung als Dichter.

Durch diese weitere bewusste Entscheidung schaffte der Dichter es noch zu Lebzeiten, sich eine eigene Marke zu erstellen. Er brachte eine Art volkstümliche Kultur mit, diese spielte auch in seinen späteren Gedichten eine wichtige Rolle.

Mit Hilfe von Imre Vahot (dieser war ein ungarischer Schriftsteller und in Besitz einer eigenen Zeitschrift) gelang Petőfi die Erstellung eines öffentlichen Bildes. Imre Vahot kaufte die Rechte seiner Gedichte, stellte ihn in der Öffentlichkeit als Naturgenie dar, und prägte somit seine öffentliche Präsenz und Wirkung. Durch die Entwicklung einer Art Markenstrategie und die publike Anpassung Petőfis gelang es tatsächlich seinen Erfolg auf landesweiter Ebene auszubauen.

Auch zu seiner Persönlichkeit gab es geteilte Meinungen. Konservative Kritiker*innen sahen in ihm Entwürdigung der Dichtung, doch aus Sicht seiner Freunde brachte er frischen Wind und belebte die damalige Literatur.

Ein interessanter Fakt zu seinen Anfängen als Dichter betrifft seine erste Leserschaft. Denn obwohl Petőfi eine volkstümliche Stimme war, bestand diese nicht aus dem einfachen, ungebildeten Volk, sondern aus der adelig- bürgerlichen Schicht, vermehrt Frauen.

Sándor Petőfi besaß sowohl als eigene Persönlichkeit als auch als Stimme hinter seinen Dichtungen viele Markenzeichen. Immer wieder zeugte seine Poesie von Verständlichkeit, seine Texte benötigten keine Interpretationen, was er sagte, wurde verstanden. Für ihn war es wichtig, dass das Publikum seine Werke verstehen und aufnehmen kann, die Einhaltung der Regeln der damaligen Poesie standen für ihn nur an zweiter Stelle. Er wirkte durch diesen Aspekt und durch seine demokratisierende Sprache vielmehr als romantisches Genie. Sein Mythos beinhaltete auch das Grundprinzip des Nationalismus.

Die bereits genannte Volkstümlichkeit war eines seiner wichtigsten Markenzeichen, die damalig vorhandenen Mittel der ungarischen Literatur überführte er ebenfalls in diese. Auch die dazugehörige Volkssprache spielte in seinen späteren Werken eine Rolle. Für ihn war sie die Grundlage der neuen Gesellschaftsordnung. Ein Beispiel für diese Akzente findet man in seinem Werk Held János.

Die Freiheit und seine dazugehörigen Ideologien prägten seine Werke ebenfalls, er zeigte diese ganz offen, der Begriff der Freiheit war für ihn die Grundlage des Lebens und der Politik. Aber auch der Individualismus war hiermit verbunden, sein Gebot der Freiheitsideologie besagt, dass das Individuum über allem stehe.

Den Aspekt der Politik baute er auf eine natürliche Art und Weise in seine Lebensweise, Weltanschauung und Dichtung ein. Sein offen erkennbares politisches Denken wurde in den letzten Jahrzehnten oftmals debattiert, allerdings ohne ein aussagekräftiges Ergebnis.

Petőfis Bekanntheit erlang ein individuelles Ausmaß, er wurde in gewissermaßen zur Symbolfigur des Demokratisierungsprozesses Ungarns, die selber aus dem Volk stammte.

Die lebendige Sprachweise, die Leidenschaft und seine persönliche Haltung verliehen seinen Dichtungen einen individuellen Touch, dadurch hoben diese sich, trotz ähnlichen Thematiken, von den Werken seiner Zeitgenossen ab.

Quellen:
E. Csorba, Csilla (2015): A Petőfi-dagerrotípia. Miért azt látjuk, amit látunk? Rubicon 2015/7. 58-63.
Fekete, Sándor (1977): Így élt a szabadságharc költője
Margócsy, István (1998): A szabad elvű Petőfi. Holmi, 1998/3. 309-322.
Margócsy, István (2003): “…ikercsillagok, egymás kiegészítői…” Petőfi és Arany kettős kultusza és kettős kanonizációja. ItK, 2003/4-5. 442-469.
Milbacher, Róbert (2023): Petőfi, a normaszegő. Élet és Irodalom, 2023/7, 13.
Pesti, Brigitta: Einführung in die ungarische Literaturgeschichte I. Ungarische Literatur von ihren Anfängen bis zur beginnenden Moderne
Szilágyi, Márton (2015): Petőfi Sándor és a polgári létezés lehetőségei. Rubicon 2015/7. 14-19.
Szolláth, Dávid (2004): A kultuszkutatás két tendenciája. In: Buksz, 2004/3. 232-240.

Präsentationsskript des Vortrags “Sándor Petőfi – Entstehung einer Kultmarke” von PhD Judit Molnár, Finnisch-Ugrisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen (2023)

Bildquellen:
Titelbild: Digital Content Writers India auf Unsplash
Portrait: gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Orlai-petofi1.jpg
Kokarde: Hungarian cockade von Khalai via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Magyar_kok%C3%A1rda.png (CC BY-SA 3.0)

Text: Liv Kallender, Gymnasium an der Stadtmauer Bad Kreuznach, Praktikantin