Sándor Petőfi – seine Wirkung als Dichter

Sein 200. Geburtstag, welcher sich am 1. Januar 2023 ereignete, bietet eine gute Gelegenheit den Dichter Ungarns zu betrachten, der die Zukunft entscheidend veränderte und die Vergangenheit nach seinem Bild umformte.

Sándor Petőfi (1823-1849) weist eine dokumentierbare Erfolgsgeschichte vor, die einzigartig für die ungarische Literatur ist. Diese zeugt allerdings auch von zahlreichen Verstößen gegen damalige literarische, gesellschaftliche und politische Normen.

Petőfi stammt aus einer Ungarisch sprechenden Familie slowakischen Ursprungs, die an einem lutherischen Glauben festhielt. Da seine Eltern seine schulische Ausbildung förderten, hatte er gute Chancen auf eine Karriere und damit auch auf soziale Mobilität, obwohl er aus keiner Adelsfamilie stammte. Doch als er 1842 bewusst das Gymnasium ohne schulischen Abschluss verließ, verzichtete er auf diese von seinen Eltern gebotene Möglichkeit.

Seine eigene Identitätsbildung wurde allerdings durch kollektive Adelsrechte, welche er durch seinen Vater erlangte (dieser erwarb einen Landsitz), geprägt. Petőfi war zwar nicht adelig gewesen, sondern gehörte lediglich einem gewissen Stand an, bis sein Vater seine Ländereien verlor, doch diese Zugehörigkeit hatte ihre Grenzen, die beispielsweise auch ein alter Mitschüler schilderte, Petőfi sei ein aufdringlicher, slowakischer und lutherischer Schüler.

Seine politische Karriere scheiterte bereits 1848 bei den Wahlen zum Parlamentsabgeordneten. Dort versuchte er, seine Wähler mit einem Wir-Bewusstsein zu überzeugen, doch dies blieb erfolgslos.

Sein Erfolg als Dichter war im Einklang mit dem damaligen politischen und gesellschaftlichen Wandel des Landes, es bildeten sich Tendenzen zur Demokratisierung. Die Kriterien zu der Zugehörigkeit einer Gesellschaft wandelten sich, ein neues Kulturverständnis und der Begriff der Volkskultur entstand. Somit bekam auch die literarische Kunst eine neue Bedeutung und eine Art Presselandschaft wurde in Ungarn gebildet.

Dank diesem Wandel erlangten auch Dichter*innen und Schriftsteller*innen einen neuen Status. Dies half auch Petőfi, als er in den 1840ern seinen Auftritt als Dichter begann. Um diese Karriere zu fördern und auszubauen, verließ er 1844 seinen damaligen Wohnort Debrecen und zog nach Pest, dort erhoffte er sich einen Aufschwung als Dichter.

Durch diese weitere bewusste Entscheidung schaffte der Dichter es noch zu Lebzeiten, sich eine eigene Marke zu erstellen. Er brachte eine Art volkstümliche Kultur mit, diese spielte auch in seinen späteren Gedichten eine wichtige Rolle.

Mit Hilfe von Imre Vahot (dieser war ein ungarischer Schriftsteller und in Besitz einer eigenen Zeitschrift) gelang Petőfi die Erstellung eines öffentlichen Bildes. Imre Vahot kaufte die Rechte seiner Gedichte, stellte ihn in der Öffentlichkeit als Naturgenie dar, und prägte somit seine öffentliche Präsenz und Wirkung. Durch die Entwicklung einer Art Markenstrategie und die publike Anpassung Petőfis gelang es tatsächlich seinen Erfolg auf landesweiter Ebene auszubauen.

Auch zu seiner Persönlichkeit gab es geteilte Meinungen. Konservative Kritiker*innen sahen in ihm Entwürdigung der Dichtung, doch aus Sicht seiner Freunde brachte er frischen Wind und belebte die damalige Literatur.

Ein interessanter Fakt zu seinen Anfängen als Dichter betrifft seine erste Leserschaft. Denn obwohl Petőfi eine volkstümliche Stimme war, bestand diese nicht aus dem einfachen, ungebildeten Volk, sondern aus der adelig- bürgerlichen Schicht, vermehrt Frauen.

Sándor Petőfi besaß sowohl als eigene Persönlichkeit als auch als Stimme hinter seinen Dichtungen viele Markenzeichen. Immer wieder zeugte seine Poesie von Verständlichkeit, seine Texte benötigten keine Interpretationen, was er sagte, wurde verstanden. Für ihn war es wichtig, dass das Publikum seine Werke verstehen und aufnehmen kann, die Einhaltung der Regeln der damaligen Poesie standen für ihn nur an zweiter Stelle. Er wirkte durch diesen Aspekt und durch seine demokratisierende Sprache vielmehr als romantisches Genie. Sein Mythos beinhaltete auch das Grundprinzip des Nationalismus.

Die bereits genannte Volkstümlichkeit war eines seiner wichtigsten Markenzeichen, die damalig vorhandenen Mittel der ungarischen Literatur überführte er ebenfalls in diese. Auch die dazugehörige Volkssprache spielte in seinen späteren Werken eine Rolle. Für ihn war sie die Grundlage der neuen Gesellschaftsordnung. Ein Beispiel für diese Akzente findet man in seinem Werk Held János.

Die Freiheit und seine dazugehörigen Ideologien prägten seine Werke ebenfalls, er zeigte diese ganz offen, der Begriff der Freiheit war für ihn die Grundlage des Lebens und der Politik. Aber auch der Individualismus war hiermit verbunden, sein Gebot der Freiheitsideologie besagt, dass das Individuum über allem stehe.

Den Aspekt der Politik baute er auf eine natürliche Art und Weise in seine Lebensweise, Weltanschauung und Dichtung ein. Sein offen erkennbares politisches Denken wurde in den letzten Jahrzehnten oftmals debattiert, allerdings ohne ein aussagekräftiges Ergebnis.

Petőfis Bekanntheit erlang ein individuelles Ausmaß, er wurde in gewissermaßen zur Symbolfigur des Demokratisierungsprozesses Ungarns, die selber aus dem Volk stammte.

Die lebendige Sprachweise, die Leidenschaft und seine persönliche Haltung verliehen seinen Dichtungen einen individuellen Touch, dadurch hoben diese sich, trotz ähnlichen Thematiken, von den Werken seiner Zeitgenossen ab.

Quellen:
E. Csorba, Csilla (2015): A Petőfi-dagerrotípia. Miért azt látjuk, amit látunk? Rubicon 2015/7. 58-63.
Fekete, Sándor (1977): Így élt a szabadságharc költője
Margócsy, István (1998): A szabad elvű Petőfi. Holmi, 1998/3. 309-322.
Margócsy, István (2003): “…ikercsillagok, egymás kiegészítői…” Petőfi és Arany kettős kultusza és kettős kanonizációja. ItK, 2003/4-5. 442-469.
Milbacher, Róbert (2023): Petőfi, a normaszegő. Élet és Irodalom, 2023/7, 13.
Pesti, Brigitta: Einführung in die ungarische Literaturgeschichte I. Ungarische Literatur von ihren Anfängen bis zur beginnenden Moderne
Szilágyi, Márton (2015): Petőfi Sándor és a polgári létezés lehetőségei. Rubicon 2015/7. 14-19.
Szolláth, Dávid (2004): A kultuszkutatás két tendenciája. In: Buksz, 2004/3. 232-240.

Präsentationsskript des Vortrags “Sándor Petőfi – Entstehung einer Kultmarke” von PhD Judit Molnár, Finnisch-Ugrisches Seminar der Georg-August-Universität Göttingen (2023)

Bildquellen:
Titelbild: Digital Content Writers India auf Unsplash
Portrait: gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Orlai-petofi1.jpg
Kokarde: Hungarian cockade von Khalai via Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Magyar_kok%C3%A1rda.png (CC BY-SA 3.0)

Text: Liv Kallender, Gymnasium an der Stadtmauer Bad Kreuznach, Praktikantin

Runebergs Törtchen

J. L. Runeberg (5.2.1804 – 6.5.1877) ist der Nationaldichter Finnlands. Berühmt ist er vor allem für den Text der finnischen Nationalhymne, aber auch für seine Vorliebe für Süßes. Hier das Rezept der Törtchen, die man bis heute zu Feier seines Geburtstags am 5. Februar in ganz Finnland isst:

Für den Teig:

  • 100 g     Butter
  • 100 g     Zucker (zur Hälfte braun)
  • 1            Ei
  • 100 g     Weizenmehl
  • 40 g       Mandeln gemahlen
  • 30 g       Pfefferkuchen oder Lebkuchen gebröselt, notfalls auch Semmelbrösel
  • 1 TL      Backpulver
  • ¼ TL     Kardamom
  • 75 g       Schlagsahne
  • (1 Tropfen Bittermandelaroma)

In die Mitte:

Himbeerkonfitüre

Zum Befeuchten:

  • 2 EL        heißes Wasser
  • 1 EL        Zucker
  • 2 EL        Punsch, Brandy, Rum oder Mandellikör

Zur Deko:

  • Himbeerkonfitüre
  • Zuckerguss (80 g Puderzucker + 2 TL Wasser oder Zitronensaft)

Zucker und Butter schaumig schlagen. Das zimmerwarme Ei unter Rühren hinzufügen. Alle trockenen Zutaten zusammenmischen und in den Teig unterrühren. Die Sahne (und das Bittermandelaroma) hinzufügen.

Sechs hohe, runde Formen (notfalls uneingefettete Papierkaffeebecher nehmen) zur Hälfte füllen, einen halben Teelöffel Himbeerkonfitüre in die Mitte hinzufügen und die Formen mit dem Teig zu ¾ füllen.

Bei 175 Grad etwa 20 Minuten backen. Etwas abkühlen lassen.

Das heiße Wasser, den Zucker und den Punsch zusammenmischen und die Törtchen mit Hilfe eines Pinsels gut befeuchten. Mehrere Stunden, am besten über Nacht durchziehen lassen.

Die Törtchen aus den Formen nehmen. Mit einem Klecks Himbeerkonfitüre oben drauf dekorieren und einen Ring aus Zuckerguss um die Konfitüre herum spritzen.

Quelle: https://www.valio.fi/reseptit/runebergin-torttu-2/

Bildquelle: Bengt Oberger, Runebergstårtor, CC BY-SA 4.0

Ferenc Erkel – der Komponist der ungarischen Nationalhymne

Am 22. Januar wird in Ungarn der Tag der ungarischen Kultur gefeiert. Der Dichter und Politiker Ferenc Kölcsey schrieb am 22. Januar 1823 sein Gedicht zu Ende, das später die ungarische Nationalhymne wurde. Über das Gedicht und den Dichter haben wir hier schon berichtet. Aber wer war der Komponist, der die Hymne vertonte?

Die Melodie der ungarischen Nationalhymne stammt von Ferenc Erkel (1810-1893). Erkel, im südungarischen Gyula geboren, wuchs als Spross einer donauschwäbischen Musikerfamilie auf. Von 1822 bis 1825 besuchte er das Gymnasium des Benediktinerordens in Pressburg. Sein Musiklehrer dort war der angesehene Musikpädagoge Heinrich Klein, ein Vertrauter Beethovens. In Pressburg besuchter Erkel Opernvorstellungen und Konzerte von Franz Liszt und dem Violinisten János Bihari. Mit 18 Jahren wurde er Klavierlehrer in Klausenburg.

Seinen ersten Auftritt als Klaviervirtuose hatte Erkel im Jahre 1834. Ein Jahr später zog er nach Pest und übernahm den Posten des Kapellmeisters am Deutschen Theater und am Budaer Ungarischen Theater. In sehr jungen Jahren dirigierte er bereits berühmte Opern. 

Von 1838 an war er als Dirigent am Pester Ungarischen Theater (Pesti Magyar Színház) tätig: dort baute er das Orchester und den Chor auf und gründete später die Philharmonische Gesellschaft. Im Theater traten berühmte Persönlichkeiten der Zeit auf: die Opernsängerin Róza Déryné Széppataki und der Schauspieler, Komponist und Librettist Béni Egressy. Egressy vertonte das Gedicht des ungarischen Dichters Mihály Vörösmarty Szózat, Mahnruf, das später die inoffizielle zweite Nationalhymne Ungarns wurde.

Aber zurück zu Erkel. Am 8. August 1840 wurde seine erste Oper Báthori Mária im neugegründeten Nationaltehater uraufgeführt – die ungarische Nationaloper war geboren. Später wurde Erkel erster Dirigent des Nationaltheaters und blieb hier 30 Jahre. Er war Mitbegründer, Direktor und Klaivierlehrer der Musikakademie und später übernahm er den Posten des Obermusikdirektors am 1884 gegründeten Opernhaus.

Die ungarische Nationalhymne

Um Kölcseys Hymnus zu vertonen, ließ 1844 der Direktor des Nationaltheaters einen Wettbewerb durchführen. Preisgekrönt wurde die Musik von Erkel. Die Hymne, wie sie heute gesungen wird, ist jedoch mit dem Original nicht ganz identisch, denn die ursprüngliche Version wurde in einem etwas schnelleren Tempo gespielt. Die Melodie wurde erst nach dem Friedensvertrag von Trianon (4. Juni 1920), bei dem Ungarn ein Drittel seines Gebiets verlor, langsamer und tragischer.

Im 19. Jahrhundert wurden die beiden Nationallieder Hymne und Mahnruf abwechselnd gesungen, aber in den 1850-ern Jahren gewann die Hymne allmählich an Bedeutung.

Der Opernkomponist

Erkel komponierte insgesamt neun Opern, die den Stil Rossinis mit der im 18. Jahrhunder entstandenen ungarischen Verbunkos-Musik vereinen. Das Wort Verbunkos geht auf das deutsche Wort werben zurück: diese Tanzmusik wurde nämlich ursprünglich bei der Anwerbung von Soldaten gespielt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam der Verbunkos auch in den Operhäusern an: die bekanntesten Opern Erkels, Hunyadi László und Bánk bán, waren stark von ihm beeinflusst.

Der Schachspieler

Erkel gehörte lange Zeit zu den stärksten Schachspielern Ungarns und war 28 Jahre lang Vorsitzender des Pester Schachklubs.

Die Hymne kann man hier anhören: https://www.youtube.com/watch?v=M_1XePK1DAk

Link zum Palotás aus der Oper Hunyadi László: https://www.youtube.com/watch?v=R9S-06wV0VM

Quellen:

https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_E/Erkel_Familie.xml
http://www.fszek.hu/konyvtaraink/kozponti_konyvtar/zenei_gyujtemeny/erkel_ferenc_elete_es_muvei/?article_hid=3332
Bildquelle: pixabay

Kalevala

Am Anfang war das offene Meer, im Meer eine Frau — die Tochter der Lüfte — und auf ihrem Knie ein Taucherentenei, das ins Wasser herrunterrollt. Daraus entsteht die Welt.

Mit dieser Schöpfungsgeschichte beginnt das Kalevala, das finnische Nationalepos. Im Kalevala abenteuern der weise Väinämöinen, der tapfere Joukahainen, die eigensinnige Aino, der liebe Lemminkäinen, die entzückende Kyllikki, der fleißige Ilmarinen, die listige Louhi und viele andere mehr. Sie kämpfen, verlieben sich, schmieden Ränke, nehmen Rache und sterben. Und erwachen gelegentlich von den Toten. Dann gibt es noch das Wundergerät Sampo, das Reichtümer ausspuckt und um das gekämpft wird.

Das Kalevala erschien 1835, als Finnland noch ein Teil Russlands war. Es erhöhte das nationale Selbstbewusstsein der Finnen und stärkte den Glauben an die eigene Sprache und Kultur. Es wurde von Elias Lönnrot zusammengestellt, der in Finnland, Karelien und Estland herumreiste, sich alte Sänger anhörte und die Lieder aufschrieb. Einiges dichtete er auch selber dazu.

Das Kalevala besteht insgesamt aus 50 Liedern und über 20 000 Versen. In der Zeit, wo Finnisch noch nicht geschrieben wurde, wurden die Geschichten mündlich als Lieder von Generation zu Generation überliefert. Deswegen beinhaltet das Kalevala auch nicht die Buchstaben B, C, D, F, Q, W, X, Z und Å, denn sie kamen erst später ins Finnische. Als Gedächtnisstützen dienten das Kalevala-Versmaß, Alliterationen und die ständige Wiederholung:

Das Kalevala ist bis heute eine wichtige Inspirationsquelle für viele Musiker: Sibelius, Viikate, Värttinä, Kotiteollisuus, Amorphis… Kein Wunder, denn der alte Väinämöinen ist so ein talentierter Kantelespieler, dass selbst die härtesten Kerle bei seinem Gespiele zu Tränen gerührt werden. Kantele? Ja, die Kantele ist das finnische Nationalinstrument und im Kalevala das Symbol für schöpferische Kraft und Kultur.

Das Kalevala ist das meist übersetzte finnische Buch. Man kann es in über 60 Sprachen lesen: Deutsch, Plattdeutsch, Latein, Tamil, Suaheli usw.

Am 28. Februar, an dem Elias Lönnrot die erste Ausgabe des Kalevala unterschrieb, hisst man in Finnland die Fahnen und feiert den Tag des Kalevala und die finnische Kultur.

Quelle: https://areena.yle.fi/1-3329271