Der Luciatag in Ungarn

Dass am 13. Dezember in Schweden das Luciafest gefeiert wird, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist aber, dass der Luciatag, Luca-napja, auch in Ungarn ein wichtiger Tag der Adventszeit ist, mit dem viele Bräuche und Traditionen verbunden sind. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass der 13. Dezember vor der Einführung des gregorianischen Kalenders der kürzeste und dunkelste Tag des Jahres war. An diesem Tag gab es viele Verbote: man durfte nicht spinnen, backen oder Wäsche waschen. Es war auch verboten, Dinge zu verleihen, da sie in die Hände von Hexen fallen konnten.

Woher kommt dieses Fest?

Die heilige Lucia von Syrakus war eine Märtyrerin im 4. Jahrhundert. Sie ist Schutzpatronin vieler Handwerksberufe – Kutscher, Sattler, Glaser, Schneider, Weber, Optiker, aber auch der Bauern, Notare und Schriftsteller. Sie wird gegen Armut, Feuer und Krankheiten wie Augenleiden, Halsschmerzen, Darmerkrankungen und Blutfluss angerufen.

In Ungarn war der Luca-nap ein Tag der Fruchtbarkeitsbeschwörung, der Heirat, des Todes und der Wettervorhersage, des Verbots bestimmter Frauenarbeiten und der Herstellung des Luca-Stuhls.

Wie an anderen Tagen des Winterfestzyklus wurde auch am Luciatag der erste Besucher zur Vorhersage des zu erwartenden Nachwuchses der Haustiere herangezogen. Wenn der erste Besucher ein Mann war, sollte die Kuh ein Stierkalb gebären, wenn aber eine Frau zu Besuch kam, hat man sich auf eine Färse gefreut. Es wurde Weizen gesät und wenn er bis Weihnachten gut angewachsen war, verhieß das eine gute Ernte im nächsten Jahr.

An diesem Tag ging es aber in erster Linie um den Fruchtbarkeitszauber der Hühner, damit hing auch das Arbeitsverbot für Frauen zusammen. Im ganzen Land glaubte man, wenn man an diesem Tag spinnt oder näht, würde man den Hintern der Hühner zunähen. Magische Praktiken und Texte wurden eingesetzt, um die Eierproduktion der Hühner zu steigern: sie wurden mit dem Schürhaken berührt, sie wurden auf ein Ei und etwas Stroh gesetzt, die zuvor den Nachbarn geklaut wurden, und die Hausfrau musste den ganzen Tag liegen, damit die Hühner auf den Eiern sitzen blieben.

Der Luca-nap galt im gesamten ungarischen Sprachraum als Tag des Bösen, weshalb man sich besonders vor den bösen Zaubersprüchen der Hexen schützen musste. In einigen Regionen wurde Knoblauch zur Abwehr böser, schädlicher Mächte verwendet: an die Stalltür wurde – mit Knoblauch – ein Kreuz gemalt, um Luca ‘Lucia‘ von den Tieren fernzuhalten. In anderen Gegenden wurden die Tiere nicht vor Luca, sondern vor den Hexen geschützt.

Verboten war an diesem Tag das Ausleihen von Geld und anderen Sachen, damit nichts in die Hände der Hexen fiel und Unheil über das Haus brachte. Es war auch ein geeigneter Tag, jemandem etwas Böses zu tun: wer seinem Nachbarn schaden wollte, melkte nachts heimlich dessen Kuh und brachte die Milch auf die Straße, damit die Kuh des Nachbars weniger Milch gibt.

Zwischen dem Luca-Tag und Weihnachten wurde der Luca-Stuhl angefertigt, meistens war das ein runder Stuhl mit drei Beinen. In einigen Regionen wurde der Stuhl aus neun – manchmal sogar aus dreizehn – Holzarten gefertigt: aus Schlehdorn, Wacholder, Ahorn, Birne, Kornelkirsche, Tanne, Akazie, Zerreiche und Rosenholz. An Heiligabend wurde der Stuhl mit in die Kirche genommen und wer sich daraufstellte, konnte die Hexe in der Kirche erkennen. Wenn die Hexe identifiziert wurde, musste man schnell nach Hause laufen, um ihr zu entkommen. Um die Hexe zu verwirren, wurden unterwegs Mohnsamen gestreut. Zu Hause angekommen wurde ein Stück Knoblauch ins Schlüsselloch und ein Messer in den linken Türpfosten gesteckt. Vor die Tür wurde ein Besen gestellt, damit die Hexe nicht ins Haus gelangen konnte. Der Stuhl musste umgehend verbrannt werden.

In einigen Regionen wurde ein Luca-Hemd genäht. Vom Luca-Tag bis Weihnachten musste man daran arbeiten und wie vom Luca-Stuhl konnte die Person, die das Hemd trug, die Hexe in der Mitternachtsmesse am Heiligabend erkennen.

Interessant ist, dass der aus dem angelsächsischen Raum bekannte, geschnitzte und leuchtende Kürbis mit Mund-, Nasen- und Augenlöchern auch in Ungarn bekannt war. In den westlichen Regionen wurde der geschnitzte Kürbis mit einer Kerze am Luca-Tag ins Fenster gestellt, um die Bewohner des Hauses zu erschrecken.

Film:
https://www.youtube.com/watch?v=-B2tYwNAUCM

Literatur:
https://www.arcanum.com/hu/online-kiadvanyok/MagyarNeprajz-magyar-neprajz-2/vii-nepszokas-nephit-nepi-vallasossag-A33C/szokasok-A355/jeles-napok-unnepi-szokasok-A596/december-A912/december-13-luca-napja-A927/
https://www.katholisch.de/artikel/163-sagenumwobene-lucia
http://lexikon.katolikus.hu/L/lucab%C3%BAza.htmlhttps://mek.oszk.hu/02100/02115/html/3-1393.html

Bildquellen:
Max Kleinen auf Unsplash
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Titelbild: Kristin Snippe auf Unsplash

Allgemeine Saunariten

An unserem Institut gibt es nicht nur sprachwissenschaftliche Kurse. Die Studierenden befassen sich auch mit der Kultur und Folklore der finnougrischen Völker und den wesentlichen Themen der materiellen und immateriellen Kultur. In der nächsten Zeit wollen wir euch Einblicke in dieses Themengebiet geben und bringen euch daher das wohl bekannteste Kulturgut der Finnougrier näher: die Sauna.

Ursprünglich ging man nach Geschlechtern getrennt in die Sauna, was einen praktischen Hintergrund hatte: erst waren der Bauer und seine Knechte nach der Arbeit dran, später (nach dem Melken) die Bäuerin und die Mägde.

Die Sauna dauerte den ganzen Tag, da man sie reinigen musste, Holz hacken und Wasser herantragen, den Ofen bzw. die Sauna langsam aufheizte. Dann wurde der Rauch abgelassen und anschließend machte man mehrere Saunagänge. Zur Vorbereitung der Sauna gehörte auch das Binden der Birkenquaste (vihta). Zu den Quasten sind verschiedene Aberglauben überliefert, beispielsweise, dass die Birkenzweige am besten vor Mittsommer gesammelt werden müssen, um gut zu werden, und dass man keine Sumpfbirken verwenden sollte.

Die Sauna fand in der Regel samstags statt, bei Krankheit oder staubigen Arbeiten (wie Heumahd) auch an Werktagen, und die Vorbereitung der Sauna und die Durchführung der Riten ist traditionell Aufgabe der Frauen.
In der Sauna wird anständiges Benehmen gefordert: „Saunassa ollaan kuin kirkossa“, wie ein finnisches Sprichwort besagt. Das bedeutet, man soll sich benehmen wie in einer Kirche, beipielsweise nicht laut reden, nicht fluchen, lästern oder furzen.

Bis zum 2. Weltkrieg war der Saunaraum der Ort der Geburt, da Hitze und Rauch dort regelmäßig Keime abtöten und es sich somit um den hygienischsten Raum eines Hofes handelte, auch wenn der wissenschaftliche Hintergrund noch nicht klar war.

Aus der Zeit der Schwendbauern ist die Initiationssauna, ikäkylpy, bekannt. Dabei handelt es sich um die symbolische Waschung von Mädchen beim Eintritt ins heiratsfähige Alter: danach dürfen Männer ihnen den Hof machen.

Von mehreren finnougrischen Völkern ist der symbolische Saunabesuch vor der Bärenjagd bekannt, um Kräfte zu sammeln.

Weitere Aberglauben sind beispielsweise, dass man immer barfuß zur Sauna gehen sollte, solange noch kein Schnee liegt, damit man Winter nicht so friert, oder dass es Unglück bringt, wenn einem auf dem Weg zur Sauna ein Mann entgegen kommt, aber Glück, wenn einem eine Frau entgegenkommt.

Text: Marina Loch

Quellen:
Helamaa, Erkki; Pentikäinen, Juha: FInfo-Broschüre Sauna – eine finnische Nationalinstitution. Helsinki.
Sarmela, Matti. 2009: Finnisch Folklore Atlas. Helsinki.

Bildquelle: Lassi auf Unsplash

Die Sauna – Nutzung und Riten

An unserem Institut gibt es nicht nur sprachwissenschaftliche Kurse. Die Studierenden befassen sich auch mit der Kultur und Folklore der finnougrischen Völker und den wesentlichen Themen der materiellen und immateriellen Kultur. In der nächsten Zeit wollen wir euch Einblicke in dieses Themengebiet geben und bringen euch daher das wohl bekannteste Kulturgut der Finnougrier näher: die Sauna.

Die Nutzung der Sauna

Die Sauna hat die Hauptfunktion der (porentiefen) Körperreinigung sowie zahlreiche soziale, praktische und spirituelle Nebenfunktionen. Dazu zählen die rituelle Reinigung, die Unterstützung der Gesundheit – sowohl durch die Stärkung des Immunsystems als auch heilend bei Erkrankungen z. B. des Bewegungsapparates – und soziale Funktionen. In privaten wie öffentlichen Saunen kann man sich über Klassengrenzen hinweg unterhalten, persönliche und politische Gespräche führen und Abmachungen treffen.

Die Reinigung findet durch das Schwitzen und anschließende Abwaschen mit klarem Wasser statt, die Durchblutung der Haut wird durch das (gegenseitige) Massieren mit dem vihta angeregt.

Traditionell wurde die Sauna auch zum Trocknen von Malz benutzt sowie (in Võrumaa bis heute) zum Räuchern von Schinken. Diese Arbeiten können zu Zusammenkünften der Dorfjugend führen und soziale Aktionen sein.

Saunariten

Riten, also Traditionen, die nicht primär der Reinigung dienen, sondern auch spirituelle Bedeutung haben, sind bei den meisten finnougrischen Völkern bekannt. Die Überlieferungslage ist vor allem bei den Ostseefinnen sehr gut.

Man findet Saunariten namentlich erwähnt bei den Finnen, Esten (und Setu), Kareliern, Wepsen, Liven, Woten und Ingriern. Bei den Völkern auf russischem Boden ist meist unklar, ob die Traditionen finnougrischer oder russischer Herkunft sind, da sie sich stark ähneln. Dies wird dann häufig als „großrussische Saunakultur“ bezeichnet. Quellen gibt es zu Komi, Mordwinen und Mansen. Bei den Mari und Udmurten handelt es sich um eine relativ junge Kultur mit starkem russischem und christlichem Einfluss. Die Ungarn haben keine eigene Saunakultur, sondern Thermalbäder, die zuerst im 2. Jahrhundert nach Vorbild der Römer gebaut wurden und unter türkischem Einfluss im 16. Jahrhundert neu auflebten. Diese noch heute sehr beliebten Thermen haben eine soziale und eine Hygienefunktion, jedoch keine spirituelle. Ebenso sind diese Anlagen immer öffentlich, nie privat.

Zu den Sami liegen keine spezifischen Quellen vor, die werden meist in einem Atemzug mit den Finnen erwähnt.

Text: Marina Loch

Quellen:
Sarmela, Matti. 2009. Finnisch Folklore Atlas. Helsinki.
Vahros, Igor. 1966. Zur Geschichte und Folklore der Grossrussischen Sauna. Helsinki.
https://web.archive.org/web/20100608113726/http://cyberbohemia.com/Pages/russianbaniahistory.htm, zuletzt aufgerufen am 12.07.2020

Bildquelle: Santtu Perkiö auf Unsplash

Ostern in Ungarn

Fleisch nehmen, Frauen begießen, Ostereier verteilen

Húsvét ‚Fleisch nehmen‘ heißt in Ungarn das Fest zu Auferstehung Christi. Am Ostersonntag gehen die Gläubigen mit Körben voller Lammfleisch, Schinken, Osterbrot, Eier und Wein in die Kirche, um die Speisen dort vom Priester segnen zu lassen. Die gesegneten Speisen werden anschließend im Familienkreis verspeist. Nach der vierzigtägigen Fastenzeit bereiten auch die Nichtkatholiken ein großes Frühstücksbuffet mit Schinken, Osterbrot, Paprika, Radieschen, Tomaten, Frühlingszwiebeln, Kuchen und Eiern vor. Der Schnaps darf natürlich auch nicht fehlen.

Vorher werden die Eier gefärbt und mit schönen Mustern versehen. Es wird z. B. flüssiges Wachs mit einem Gänsefederkiel auf das Ei aufgetragen, so dass es an dieser Stelle beim Färben keine Farbe annimmt.

Am Ostermontag findet das größte und spannendste weltliche Ereignis des Osterfests, das „Ostergießen“ (ung. húsvéti locsolkodás), statt. Die Frauen bleiben an diesem Tag zu Hause und warten auf die Männer, die in Gruppen von Haus zu Haus ziehen und nach den Frauen suchen, um sie dann mit einem Eimer Wasser – heutzutage eher mit Kölnischwasser oder Sodawasser – zu begießen, damit sie nicht „verwelken“. Vorher aber müssen sie ein kleines Gedicht aufsagen und die Frauen um Erlaubnis bitten.

Zöld erdőben jártam,
Kék ibolyát láttam,
El akart hervadni.
Szabad-e locsolni?

Ich ging in den grünen Wald,
Ich sah ein blaues Veilchen,
Es wollte verwelken.
Darf ich es gießen?

Zum Dank werden die Männer von den Frauen mit Schinken, Osterbrot, gekochten Eiern, Kuchen und Schnaps bewirtet und bekommen ein gefärbtes Ei geschenkt. Für Kinder gibt es Schokoladeneier oder -hasen und von den Verwandten auch etwas Geld.

Der Ursprung dieses Osterbrauchs ist nicht ganz klar. Einerseits wird er auf ein heidnisches Fruchtbarkeitsritual zurückgeführt. Das Begießen mit frischem Wasser war eine symbolische Reinigung zum Frühlingsbeginn. Anderseits war es auch ein Spiel der Geschlechter: das Mädchen, das trocken blieb, würde in diesem Jahr nicht mehr heiraten. Andere Deutungen dieser Tradition stehen mit der christlichen Taufe in Verbindung.

Osterschinken-Rezept

Den rohen Schinken gut abwaschen und für einige Stunden in reichlich kaltes Wasser legen. Dann mit viel kaltem Wasser aufsetzen, langsam zum Kochen bringen und solange köcheln lassen, bis man mit einem Messer leicht in die Schwarte stechen kann. Es empfiehlt sich, das Kochwasser mindestens einmal zu tauschen. Anschließend den Schinken im Kochwasser abkühlen lassen. Dazu Weissbrot, Meerrettich und in der Schinkenbrühe gekochte Eier servien.

Quellen:
https://www.arcanum.hu/en/online-kiadvanyok/Lexikonok-magyar-neprajzi-lexikon-71DCC/h-7297A/husveti-locsolas-72BC2/
http://debrecen.imami.hu/husvet/mi-husvet-szokasok-hagyomanyok-es-eredetuk
http://mek.oszk.hu/02100/02115/html/2-1455.html