(K)eine Literaturverfilmung – Zur Analyse einer Filmadaption

Dass kein Buch 1:1 in einen Film umgesetzt werden kann, da in beiden Medien das Zeichensystem und die einhergehende semiotische Differenz berücksichtigt werden müssen, ist heutzutage verstanden. Allerdings wird es noch nicht begriffen: Für viele habe sich der Film in ästhetischen Normen immer noch der Literatur anzupassen.[1] Während sich die schriftliche Lektüre verbalsprachlich ausdrückt, wird die Erzählung im Film audiovisuell illustriert. Somit unterliegt der Film anderen ästhetischen Konventionen sowie technischen Bedingungen als das Buch.[2] Aufgrund des unzulänglichen Begriffs Literaturverfilmung, der insbesondere eine externe Zuschreibung darstellt, versucht sich die Literaturwissenschaft an einen neuen Begriff. Die deutsche Medienwissenschaftlerin Irmela Schneider definiert die Literaturverfilmung beispielsweise als Transformation von einem Zeichensystem zu einem anderen. Als alternativer Begriff ist aber auch die Adaption zu nennen, die sich der schriftliterarischen Vorlage anpasst.[3]

Nach dem deutschen Literaturhistoriker Helmut Kreuzer gibt es vier Arten der Literaturadaption: Bei der Aneignung von literarischem Rohstoff werden lediglich Handlungselemente oder Figuren aus der Buchvorlage übernommen. Überdies werden diese dann in einen autonomen Filmkontext umgesetzt. Die zweite Adaptionsart repräsentiert die Illustration, die bebilderte Literatur. Neben der Übernahme von Figurenkonstellation und wörtlichem Dialog, versucht sich der Drehbuchautor so weit wie im neuen Medium möglich, an den Handlungsvorgang zu halten. Allerdings darf die Illustration nicht mit der Vorstellung von Werktreue gleichgesetzt werden. So wirkt das für die Lektüre geschriebene Wort im Lesekontext anders als im Film. Als dritte Art ist die interpretierende Transformation zu nennen. Dafür wird zunächst die Aussage und dessen Wirkung aus der Textvorlage interpretiert. Anschließend wird der schriftliche Text in filmische Codes übersetzt, um ein analoges Werk zu generieren. Die letzte Art der Literaturadaption meint die Dokumentation, in dem unter anderem Theateraufführungen aufgenommen werden. Schlussendlich ist festzuhalten, dass sich die Filmadaption selten einer Reinform bedient, sondern sich aus verschiedenen Arten zusammensetzt.[4]

Bei der Transformation beziehungsweise Adaption von der Lektüre zum Drehbuch liegt der Schwerpunkt auf den Prozess der Umsetzung, der jedoch drei Beeinträchtigungen mit sich bringt. Erstens ist der Film im Gegensatz zum Buch nicht durchgehend in der Lage, die Innenwahrnehmung beziehungsweise subjektive Meinung einer Figur darzustellen, sodass häufig eine Außensicht auf die erzählte Welt gewählt wird. Zweitens werden im Film maßgeblich mehr Bewegungen im Raum sowie der Zusammenhang der Gegenstände bestimmt. Während der literarische Erzähler es schafft, die Figur detailliert und kraftvoll in Szene zu setzen, beeinflussen Hintergrund, Gegenstände, Licht und Farbe das Bild. Die Figur tritt insofern als Teilelement auf. Als letztes muss darauf hingewiesen werden, dass das filmische Erzählen konkreter vonstatten geht als das literarische Erzählen. So hat die Kamera unter anderem die Aufgabe aus Unmengen von Dingen die Reizelemente herauszulösen, die das Publikum ausschließlich informieren sollen.[5]

Letztendlich besteht die Kunst der DrehbuchautorInnen darin, die Lektüre in seine Beschränkung und Vereinfachung auf das Wesentliche zu komprimieren, das zu definieren, was sie für wesentlich halten. Dabei sollte die Kunst des Unerwarteten und Ideenreichtums nicht außer Acht gelassen werden.[6] Somit wird die Adaption und Transformation zur Interpretationsbühne der DrehbuchautorInnen und RegisseurInnen. Anders als im Buch verlangt die Erschließung des Films eine Analyse der visuellen, auditiven und narrativen Ebene sowie von deren Zusammenspiel. Insofern etabliert sich eine eigene Filmgrammatik aus Bild, Ton und Montage.[7]

Text: Anna-Britt Nickel
Titelbild: Jon Tyson auf Unsplash


[1] Vgl. Michael Staiger: Literaturverfilmungen im Deutschunterricht, München 2010, S. 10-13.
[2] Vgl. ebd. S. 81-87.
[3] Vgl. ebd, S. 11f.
[4] Vgl. Helmut Kreuzer: Arten der Literaturadaption, in: Gast, Wolfgang (Hg.): Literaturverfilmung, Bamberg 1993, S.27-31, hier S. 27-30.
[5] Vgl. Thomas Koebner und Peter Ruckriegl: Literaturverfilmung, in: Koebner, Thomas (Hg.): Reclams Sachlexikon des Films, Stuttgart 2002, S. 410-413, hier 410f.
[6] Vgl. Michel Chion: Techniken des Drehbuchschreibens, Berlin 2001, S. 102.
[7] Vgl. Susanne Kaul und Jean-Pierre Palmier: Die Filmerzählung. Eine Einführung, Paderborn 2016, S. 166f.

Buchvorstellung: Terézia Mora – Alle Tage (2004)

Der 2004 erschienene Debütroman „Alle Tage“ von Terézia Mora handelt von Abel Nema, einem heimatlosen Sprachgenie. Geschrieben wurde der Roman auf Deutsch, da es sich bei Terézia Mora um eine Ungarndeutsche handelt.


Ein Mann aus einem Land, das es gar nicht mehr gibt – Das ist Abel Nema. „Eigentlich […] ist alles in Ordnung mit ihm. Ein höflicher, stiller, gutaussehender Mensch. Und gleichzeitig ist nichts in Ordnung mit ihm. Wenn man das auch nicht näher benennen kann. Etwas ist verdächtig. Die Art, wie er höflich, still und gutaussehend ist“ (S. 13). Immer in schwarz gekleidet und wortkarg, auch wenn er zehn Sprachen zur Perfektion beherrscht. Hat man ihn überhaupt jemals in diesen Sprachen sprechen hören, wenn es nicht seiner Arbeit diente? Er wächst in einem Land auf, bei dem es sich vermutlich um Jugoslawien handelte. In der Nacht seiner Abiturfeier gesteht er seinem besten Freund seine Liebe – und stößt auf Ablehnung und Ekel. Nach einem Gasleck in einer Wohnung hat sich etwas verändert: Er kann sich plötzlich ohne Anstrengung jede Sprache aneignen, die er hört. Allerdings ist sein Geschmacks-, Geruchs- und Orientierungssinn verschwunden. Fliehend vor dem Krieg und der Zurückweisung seines ehemaligen Freundes, landet er irgendwann in einem anderen Land, bei dem es sich vermutlich um Deutschland handelt. Dort scheint zunächst alles gut zu verlaufen. Er findet Unterkunft bei einem anderen Emigranten, bekommt einen Sponsor für ein Studium aufgrund seines linguistischen Talents und lernt im Sprachlabor zehn Sprachen. Somit ist er um ein Vielfaches erfolgreicher als andere Emigranten, die sich mit Putzjobs und Musikauftritten über Wasser halten – oder auch nicht über Wasser halten und Obdachlosigkeit, Suizid und Gewalt erleben.
Nach einer Razzia zieht er zu einer weiteren Emigrantin, Kinga, die eine Band hat; jeden Abend wird getrunken und geraucht. Nur nicht von Abel, der inzwischen bemerkt hat, dass er nicht betrunken werden kann. Sein Studium und das Sprachlabor hat er derweil aufgegeben, schreibt aber noch an seiner Dissertation. Kinga stellt mit ihrem Charakter, der Wut, Lust, Verzweiflung und eigene Meinung frei ausdrückt, einen krassen Gegensatz zu dem reservierten Abel dar. Trotzdem, oder genau deswegen, ist sie in Abel verliebt. Er zieht danach noch zwei weitere Male um, einmal neben eine Fleischerei, einmal neben einen Sexclub. Irgendwann beginnt er, seinem zukünftigen Stiefsohn Omar Russisch beizubringen. Später wird ihm sein Laptop von einem Jungen geklaut. Nur darauf war seine unfertige Dissertation gespeichert.
In seiner bis dato letzten Wohnung fängt er an, in die „Klapsmühle“, den Sexclub in seiner Nachbarschaft zu gehen. Er beobachtet jedoch nur und beteiligt sich nicht an den Geschehnissen dort. In diesem Zeitraum lernt Mercedes ihn ein bisschen besser kennen und fragt ihn eines Tages, ob er eine Scheinehe zwecks seiner Aufenthaltsgenehmigung mit ihr eingehe wolle. Er nimmt an, bleibt aber im Laufe der Ehe weiterhin distanziert. Doch er und Omar, sein zehnjähriger Stiefsohn, kommen sich immer näher. Weitere Dinge geschehen: Kinga begeht Selbstmord und Abel nimmt aus der verlassenen Wohnung seines Nachbarn Amanita muscaria (Gewöhnlicher Fliegenpilz) ein und erlebt einen Drogenrausch, in dem er einige Erkenntnisse über sich selbst gewinnt. Nach diesem Rausch ist plötzlich seine Gabe weg: Er spricht plötzlich mit Akzent und wird nach einem halben Drink sofort betrunken. Auf dem Weg durch die Stadt wird er danach von ein paar Jungen zusammengeschlagen und stirbt fast. Durch ein dadurch ausgelöstes Hirntrauma
erleidet er eine Aphasie, also einen Verlust des Sprechvermögens. Er kann nur noch mit Anstrengung einfache Sätze der Landessprache bilden. Seitdem sagt er am liebsten „Es ist gut“.


Abel erlebt einiges in seinen Jahren in Westeuropa, z.B. eine Razzia, eine Scheinehe, viele Menschen, die ihn lieben. Aber liebt er zurück? Bemerkenswerterweise für einen Protagonisten trifft er selbst keine aktiven Entscheidungen, führt keine Gruppe an und scheint auch zu nichts eine Meinung zu haben. Er ist Kriegsdeserteur, initiiert nie selbst ein Gespräch und antwortet einsilbig auf Fragen. Und doch lieben ihn alle und helfen ihm, auch wenn er gar nicht danach fragt. Alle wollen das Geheimnis, das ihn scheinbar umhüllt, lüften. Aber dies ist wohl ein Geheimnis, was er auch vor sich selbst leugnet.
Dafür müsste er nämlich wohl erst wissen, wer er eigentlich selbst ist. Dabei kennt er nicht einmal seine eigene Nationalität. „Die Staaten, die euch festhielten mit eiserner Hand, haben euch hinausgespuckt in die Welt“ (S. 150). Ist er Kroate, Serbe, Bosnier oder doch Montenegriner? Wer kann das schon so genau sagen. Die Sprachen dieser Nationen variieren letztlich auch nur leicht.
Auch mit dem Lernen neuer Sprachen findet sich keine Erlösung, zeigt sich keine
Persönlichkeit. Abel spricht alle Sprachen akzentfrei, aber auch ohne jede persönliche Note. Wenn er sie denn einmal benutzt. Sein Nachname, Nema, bedeutet nämlich ‚der Stumme‘, denn obgleich er Sprachen beherrscht, benutzt er sie nie für ihren eigentlichen Zweck, die Kommunikation. Insgesamt eignet er sich viel an: zehn Sprachen, ein vertieftes Wissen über die Linguistik und all die Bereiche, in die sie hineingreift. Doch all das nutzte ihm nichts, die Sprache verlor er, seine Dissertation bekam auch niemand zu Gesicht. Ein weiterer Beweis für ihn als passive Person. Doch warum verhält er sich so? Hierzu möchte ich eine Textstelle zitieren, die sich auch auf der Rückseite des Buches befindet: „Jetzt und hier habe ich den
Frieden praktiziert, alle Tage, ja. Weil es möglich war. Und wenn der Preis dafür war, meine Geschichte, also meine Herkunft, also mich zu verleugnen, dann war ich mehr als bereit diesen zu zahlen. Aber in Wahrheit war ich doch allzu oft ein Barbar. Guten und nicht so Guten gegenüber. Die Liebe war nur noch als Sehnsucht in mir. Ich hatte Glück, Fähigkeiten und Möglichkeiten, man kann nicht einmal sagen, ich hätte sie gänzlich vergeudet, trotzdem bin ich heute verloren. Ich habe mich einfach zu sehr geschämt. […] Dass ich herkomme, wo ich herkomme. Dass passiert ist, was passiert ist.“ (S. 406)


Alles in allem kann ich das Buch allen ans Herz legen. Es hat einen ganz besonderen
Schreibstil, der zwar verwirren, aber auch begeistern kann. Die Abfolge der Kapitel ist nicht ganz chronologisch, weshalb ich es fast ein bisschen Schade finde, dass ich nicht genug Zeit hatte, das Buch ein zweites Mal zu lesen, um wirklich jede Kleinigkeit erfassen zu können. Als Leserin ergeht es mir fast genauso wie Abels Bekanntschaften: Man fängt an, für ihn Sympathie zu empfinden und mehr über ihn herausfinden zu wollen, auch wenn er bei weitem kein perfekter, vielleicht nicht einmal ein guter, Mensch ist. Doch genau das macht ihn wohl interessant und auch lesenswert.

Text: Talvikki Kosonen

Quellen:
Mora, Terézia. 2004. Alle Tage. München (Luchterhand Literaturverlag).

Titelbild: Photo by Clarissa Watson on Unsplash

Der Luciatag in Ungarn

Dass am 13. Dezember in Schweden das Luciafest gefeiert wird, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist aber, dass der Luciatag, Luca-napja, auch in Ungarn ein wichtiger Tag der Adventszeit ist, mit dem viele Bräuche und Traditionen verbunden sind. Der Grund dafür ist wahrscheinlich, dass der 13. Dezember vor der Einführung des gregorianischen Kalenders der kürzeste und dunkelste Tag des Jahres war. An diesem Tag gab es viele Verbote: man durfte nicht spinnen, backen oder Wäsche waschen. Es war auch verboten, Dinge zu verleihen, da sie in die Hände von Hexen fallen konnten.

Woher kommt dieses Fest?

Die heilige Lucia von Syrakus war eine Märtyrerin im 4. Jahrhundert. Sie ist Schutzpatronin vieler Handwerksberufe – Kutscher, Sattler, Glaser, Schneider, Weber, Optiker, aber auch der Bauern, Notare und Schriftsteller. Sie wird gegen Armut, Feuer und Krankheiten wie Augenleiden, Halsschmerzen, Darmerkrankungen und Blutfluss angerufen.

In Ungarn war der Luca-nap ein Tag der Fruchtbarkeitsbeschwörung, der Heirat, des Todes und der Wettervorhersage, des Verbots bestimmter Frauenarbeiten und der Herstellung des Luca-Stuhls.

Wie an anderen Tagen des Winterfestzyklus wurde auch am Luciatag der erste Besucher zur Vorhersage des zu erwartenden Nachwuchses der Haustiere herangezogen. Wenn der erste Besucher ein Mann war, sollte die Kuh ein Stierkalb gebären, wenn aber eine Frau zu Besuch kam, hat man sich auf eine Färse gefreut. Es wurde Weizen gesät und wenn er bis Weihnachten gut angewachsen war, verhieß das eine gute Ernte im nächsten Jahr.

An diesem Tag ging es aber in erster Linie um den Fruchtbarkeitszauber der Hühner, damit hing auch das Arbeitsverbot für Frauen zusammen. Im ganzen Land glaubte man, wenn man an diesem Tag spinnt oder näht, würde man den Hintern der Hühner zunähen. Magische Praktiken und Texte wurden eingesetzt, um die Eierproduktion der Hühner zu steigern: sie wurden mit dem Schürhaken berührt, sie wurden auf ein Ei und etwas Stroh gesetzt, die zuvor den Nachbarn geklaut wurden, und die Hausfrau musste den ganzen Tag liegen, damit die Hühner auf den Eiern sitzen blieben.

Der Luca-nap galt im gesamten ungarischen Sprachraum als Tag des Bösen, weshalb man sich besonders vor den bösen Zaubersprüchen der Hexen schützen musste. In einigen Regionen wurde Knoblauch zur Abwehr böser, schädlicher Mächte verwendet: an die Stalltür wurde – mit Knoblauch – ein Kreuz gemalt, um Luca ‘Lucia‘ von den Tieren fernzuhalten. In anderen Gegenden wurden die Tiere nicht vor Luca, sondern vor den Hexen geschützt.

Verboten war an diesem Tag das Ausleihen von Geld und anderen Sachen, damit nichts in die Hände der Hexen fiel und Unheil über das Haus brachte. Es war auch ein geeigneter Tag, jemandem etwas Böses zu tun: wer seinem Nachbarn schaden wollte, melkte nachts heimlich dessen Kuh und brachte die Milch auf die Straße, damit die Kuh des Nachbars weniger Milch gibt.

Zwischen dem Luca-Tag und Weihnachten wurde der Luca-Stuhl angefertigt, meistens war das ein runder Stuhl mit drei Beinen. In einigen Regionen wurde der Stuhl aus neun – manchmal sogar aus dreizehn – Holzarten gefertigt: aus Schlehdorn, Wacholder, Ahorn, Birne, Kornelkirsche, Tanne, Akazie, Zerreiche und Rosenholz. An Heiligabend wurde der Stuhl mit in die Kirche genommen und wer sich daraufstellte, konnte die Hexe in der Kirche erkennen. Wenn die Hexe identifiziert wurde, musste man schnell nach Hause laufen, um ihr zu entkommen. Um die Hexe zu verwirren, wurden unterwegs Mohnsamen gestreut. Zu Hause angekommen wurde ein Stück Knoblauch ins Schlüsselloch und ein Messer in den linken Türpfosten gesteckt. Vor die Tür wurde ein Besen gestellt, damit die Hexe nicht ins Haus gelangen konnte. Der Stuhl musste umgehend verbrannt werden.

In einigen Regionen wurde ein Luca-Hemd genäht. Vom Luca-Tag bis Weihnachten musste man daran arbeiten und wie vom Luca-Stuhl konnte die Person, die das Hemd trug, die Hexe in der Mitternachtsmesse am Heiligabend erkennen.

Interessant ist, dass der aus dem angelsächsischen Raum bekannte, geschnitzte und leuchtende Kürbis mit Mund-, Nasen- und Augenlöchern auch in Ungarn bekannt war. In den westlichen Regionen wurde der geschnitzte Kürbis mit einer Kerze am Luca-Tag ins Fenster gestellt, um die Bewohner des Hauses zu erschrecken.

Film:
https://www.youtube.com/watch?v=-B2tYwNAUCM

Literatur:
https://www.arcanum.com/hu/online-kiadvanyok/MagyarNeprajz-magyar-neprajz-2/vii-nepszokas-nephit-nepi-vallasossag-A33C/szokasok-A355/jeles-napok-unnepi-szokasok-A596/december-A912/december-13-luca-napja-A927/
https://www.katholisch.de/artikel/163-sagenumwobene-lucia
http://lexikon.katolikus.hu/L/lucab%C3%BAza.htmlhttps://mek.oszk.hu/02100/02115/html/3-1393.html

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Szabó Magda – zwischen Unterdrückung, Unverständnis und Unachtsamkeit

Ein Beitrag von Kristina Dabernig

Mit ihrem Roman Az ajtó (Hinter der Tür) erlangte die bekannte ungarische Autorin Szabó Magda im deutschsprachigen Raum Berühmtheit. Bereits mit 10 Jahren verfasste sie ihren ersten Roman. In diesem spielten die Motive des Todes und der Trauer bereits eine entscheidende Rolle. Szabós Werke sind von echten Lebensgeschichten geprägt, so auch das Werk Az ajtó. Die zwei Protagonistinnen, die Schriftstellerin Magda Sza-bó und deren Haushälterin Szeredás Emerenc, basieren auf Szabó selbst und ihrer Haushälterin Juliska. Mit ihrem Roman Az ajtó schildert Szabó nicht nur autobiografisch ihr Leben, sondern schafft den „selbstklagenden Frauentypus“ in der Literatur. Männer spielen für die Handlung nur eine untergeordnete Rolle.

So wie die Schriftstellerin im Roman, schreibt auch Szabó selbst „sehr viel für die Schublade“. Szabó promovierte mit 22 Jahren, war viele Jahre als Lehrerin tätig und kurze Zeit arbeitete sie im Ministerium für Religion und Bildung. Sie vertrat nicht den politischen Kurs in Ungarn und so wurde sie aus dem Ministerium entlassen. Wegen ihrer Einstellung dem politischen Regime gegenüber erhielt sie bis einschließlich 1958 Publikationsverbot, sodass ihre Texte vorerst in der Schublade blieben. Diese Tatsache hielt Szabó allerdings nicht davon ab zu schreiben. Sie schrieb, um ihre Erfahrungen zu verarbeiten. In Az ajtó könnte man sogar von einer Rechtfertigung und Verteidigung ihrer Entscheidungen sprechen. Darin beschreibt Szabó das Verhältnis zwischen der beiden Frauen Emerenc und Magda als einfühlsam und mitfühlend, aber gleichzeitig als zurückweisend. Es entsteht ein Mutter-Tochter-Verhältnis, das seinen Höhepunkt erreicht, als Emerenc Magda Magduska nennt. Emerenc versucht, Magda ihre Liebe und Zuneigung so gut wie möglich zu zeigen, doch Magda interpretiert die Gesten falsch. Der Roman endet mit dem Verrat Magdas an Emerenc, als Magda die Tür zu Emerenc Wohnung aufbrechen lässt. Diese Tat kann durch Worte nicht gut gemacht werden, weil es im Leben auf Taten ankommt und nicht auf Worte. Erst nach dem Tod Emerenc‘ erkennt Magda, wie sehr Emerenc sie geliebt hat.

Wie bereits der Titel sagt, ist die Tür ein wichtiges Motiv des Romans. Niemand außer Magda darf durch die Tür in Emerenc‘ Wohnung eindringen. Die Tür wird zur symbolischen Grenze der persönlichen Selbstbestimmung. Die Türschwelle ist das Bindeglied. Indem man die Tür öffnet, dringt man in Emerenc‘ Welt ein. Emerenc‘ höchster Wunsch ist es, ihre Welt zu schützen. Szabó stellt die Verletzlichkeit der Gefühle Emerenc‘ bzw. des Menschen dar, wenn die Tür, die den Eingang zu unseren Erinnerungen und Erlebnissen symbolisiert, unerlaubt aufgestoßen und in den nur uns gehörenden Raum eingedrungen wird.

Kölcsönös kötődésünk olyan, majdnem meghatározhatatlan eredők eredménye volt, mint a szerelem, holott rengeteg engedményt kellett vállalnunk ahhoz, hogy elfogadjuk egymást. Emerenc szemében minden nem kézzel, testi erővel végzett munka naplopás volt, majdnem szemfényvesztés, én mindig elismertem a test teljesítményét, de nem éreztem a szelleminél rangosabbnak, erről a személyi kultusz esztendei akkor is leszoktattak volna, ha életem folyamán bármikor is túl nagy hatással lett volna rám a gionói sugárzás. Világom talapzatát könyvek alkották, az én mértékegységem a betű volt, de nem éreztem egyedül üdvözítőnek, mint az öregasszony a maga mércéjét[1]

Quellen

Primärliteratur:

Szabó, Magda (2016) Az ajtó. Jaffa Kiadó. (eKönyv)

Szabó, Magda (20195) Hinter der Tür. Aus dem Ungarischen von Hans-Henning Paetzke. Frankfurt am Main und Leipzig: Suhrkamp.

Sekundärliteratur:

Istvanits, Kerstin (2010) Titel der Diplomarbeit: „Die Jugendromane von Szabó Magda – Álarcosbál (Maskenball) & Abigél (Abigail)“. Wien: Universität Wien.

Leibermann, Doris (2017) Vor 100 Jahren geboren – Die ungarische Schriftstellerin Magda Szabó. Köln und Berlin: Deutschlandrundfunk. (Zugegriffen am 20.05.2020: https://www.deutschlandfunk.de/vor-100-jahren-geboren-die-ungarische-schriftstellerin.871.de.html?dram:article_id=397399.)

Bildquelle: Pixabay und Kristina Dabernig


[1] Unsere wechselseitige Zuneigung war fast so etwas wie Liebe, obwohl wir enorm viele Zugeständnisse machen mußten, um uns gegenseitig zu akzeptieren. Jede Arbeit, die nicht mit den Händen und dem Einsatz körperlicher Kraft verbunden war, kam Emerenc wie Nichtstun vor, ja sogar wie ein Schwindel. Ich meinerseits habe die Leistung körperlicher Arbeit immer anerkannt, konnte sie aber gegenüber geistiger Tätigkeit nie als höherwertig begreifen. Selbst wenn ich im Verlauf meines Lebens gar zu sehr unter den Einfluß vorhandener Rotlichtbestrahlung geraten wäre, hätten mich die Jahre des Personenkults eines Besseren belehrt. Bücher waren das Fundament meiner Welt, Buchstaben waren meine Maßeinheit, doch empfand ich sie keineswegs als alleinseligmachend, wie für die alte Frau die eigene Vorstellung vom Leben das Maß aller Dinge war. (S. 125)

Einsames Erasmus

Ich bin hier nach Szeged gekommen, um Ungarisch sprechen zu lernen. Um mit Freunden durchs Land zu reisen, um Kurse auf Ungarisch zu besuchen, um in Budapest in den berühmten Romkocsmas[1] zu feiern und in den Restaurants das leckere und günstige Essen zu genießen.

Doch dann kam die Corona-Krise.

Am Anfang meines Semesters hier lief alles noch normal. Der ESN[2] hat jede Woche zwei oder drei Veranstaltungen organisiert (meistens Abende in Bars), die Uni fing langsam an und ich war einmal für ein Wochenende in Budapest und einmal bei meinen Verwandten in Südungarn. Da die Uni gerade erst losgegangen war, hatte ich auch noch nicht so viel Kontakt zu den ungarischen Studenten, doch „es ist ja erst paar Wochen her, das kommt später noch“, meinten meine deutschen Freunde.

Doch daraus wurde leider nichts. Heute vor genau drei Wochen fing es an. Am Mittwochabend war ich noch mit einer anderen Erasmus-Studentin in einem gut besuchten Restaurant und als ich nach Hause kam, hatte ich Nachrichten auf meinem Handy, die das Leben ab da komplett veränderten. Die Quarantäne in Ungarn sollte beginnen. Ab dem nächsten Morgen durfte man nicht mehr in die Uni, die Bibliotheken wurden geschlossen, alle Veranstaltungen mit mehr als 50 Leuten wurden abgesagt (natürlich auch die des ESN) und in Deutschland fingen die Leute an, wie verrückt Klopapier zu kaufen[3]. Die Osterferien der Uni wurden auf die kommende Woche vorverlegt. Es wurde mit der Zeit auch nicht besser: Die ungarischen Grenzen wurden geschlossen, die Restaurants, Cafés und Geschäfte hatten eingeschränkte Öffnungszeiten, man durfte nur noch alleine oder mit den Leuten seines Haushaltes zusammen rausgehen. Aber da ich die einzige in meinem Haushalt bin, fing eine einsame Zeit für mich an.

Am Anfang denkt man vielleicht noch: „Toll, jetzt habe ich endlich Zeit für die Dinge, die ich sonst nicht schaffe!“. Aber ganz ehrlich, wenn man nur mit dem Nötigsten in ein fremdes Land geht, hat man nicht viele Dinge dort, mit denen man sich beschäftigen kann. Irgendwann hat man dann auch alle guten Serien bei Netflix durch und zum Lernen kann man sich auch nicht motivieren. Denn in der Einsamkeit kann man ganz schnell von „ich habe Zeit“ in einen verwahrlosten Zustand ohne Zeitgefühl reinrutschen. Und in diesem fast schon depressiven Zustand fällt es einem sehr schwer, sich selbst für die Dinge zu motivieren, die man machen müsste.

Aber was ist eigentlich mit der Uni nach dieser Woche „Ferien“ passiert? Es läuft natürlich alles online. Danke Internet. Trotz langsamem Laptop inklusive langsamer Internetverbindung freut man sich auf die Sprachkurse über Zoom[4], denn das sind die einzigen, in denen man noch Kontakt zu seinen Kommilitonen hat. Die Dozenten oder Dozentinnen der Vorlesungen nehmen ihre Sitzungen auf, also hört man ihre Erklärungen während die PowerPoint-Präsentation läuft. Zusätzlich gibt es noch jede Woche Extraaufgaben und Tests, damit man irgendwie kontrollieren kann, ob die Studenten auch „anwesend“ waren. Für mich als Nicht-Muttersprachlerin ist das Ganze natürlich etwas ungünstig, da die Audio-Aufnahmen nicht immer die beste Qualität haben und ich für alles natürlich doppelt so lange brauche, um es zu verstehen.

Und was macht man so in seiner „Freizeit“ in der Quarantäne? Tatsächlich habe ich gezwungenermaßen angefangen, mir das Kochen anzueignen (wovor ich mich schon immer gedrückt habe) und habe mir eine Mundharmonika zugelegt, damit ich wenigstens ansatzweise Musik machen kann (es ist schwerer, als man denkt). Außerdem gibt es ja auch noch Skype, damit man nicht komplett vereinsamt und vielleicht gönne ich mir auch noch ein Puzzle und Blumen für meinen Balkon. Denn obwohl diese Lage gerade nicht die beste ist, bleibe ich hier in Szeged, wie geplant. Ich hoffe nur, dass dieser Zustand endet, bevor mein Erasmus-Semester endet, denn ich würde wirklich gerne etwas mehr von Ungarn sehen als meine Wohnung von innen.


[1] dt. ‚Ruinenkneipe‘, eine Bar in einem alten, ruinenhaften Gebäude
[2] Erasmus Student Network. Sie organisieren verschiedene Aktivitäten für die Erasmus-Studierenden.
[3] Was ich bis heute nicht verstehe. Hier in Ungarn hat das niemand gemacht.
[4] Zoom ist wie Skype.

Text und Bilder: Karin Fichtner

István Örkény – von der Front auf das Papier

István Örkény gilt im Ausland als einer der wohl bekanntesten und bedeutendsten ungarischen Dramatiker. Der Schriftsteller wurde 1912 in Budapest geboren und studierte Chemie und Pharmazie, ehe er 1942 zum Arbeitsdienst an der russischen Front eingezogen wurde. Nachdem das ungarische Armeekorps geschlagen wurde, kam er in Kriegsgefangenschaft, wo er auch begann, Erlebnisse und Begegnungen mit Mitgefangenen aufzuschreiben. Sie erschienen ab 1947 als Fortsetzungsroman in der Zeitung Neues Ungarn, im gleichen Jahr auch als Buch.
Örkénys schriftstellerisches Debüt war die Erzählung Ringelreihen (1938), sein erster Roman, Eheleute, erschien 1953. Nur drei Jahre später erlegte man ihm ein mehrjähriges Publikationsverbot auf, weil er sich an einer Bewegung kritischer Intelektueller beteiligt hatte. Große Bekanntheit erlangte der Autor erst in den 1960ern als Dramatiker. Örkény starb 1979 in Budapest.

Sein wohl erfolgreichstes Werk sind die Minutennovellen (ung. Egyperces novellák), die 2002 in Übersetzung von Terézia Mora auch auf Deutsch erschienen. Mit diesem Werk schuf er sich eine eigene, neue literarische Gattung – kurze Geschichten, deren Lektüre nicht mehr als eine Minute dauern sollte. Oft wirken diese kleinen Episoden unfertig oder nicht abgeschlossen, aber genau das war Örkénys Intention. Er wollte ein Schlaglicht auf einen Augenblick, einen kurzen Moment werfen und den Leser dazu anregen, die Novelle weiterzudenken, auch wenn er es ihm nicht immer einfach macht: Besonders hervorzuheben ist an den Arbeiten Örkénys, dass er das Absurde liebt und seine Leser mit der grotesken Sichtweise auf das, was er in seinen Texten beschreibt, fordert. Dieses Merkmal zeichnet insbesondere seine Minutennovellen aus, in denen er die Groteske perfektioniert hat.

Aki valamit nem ért, olvassa el újra a kérdéses írást. Ha így sem érti, akkor a novellában a hiba.
Nincsenek buta emberek, csak rossz Egypercesek!

Wenn Sie etwas nicht verstehen, lesen Sie den betreffenden Text erneut. Wenn Sie ihn dann immer noch nicht verstehen, liegt der Fehler in der Novelle.
Es gibt keine dummen Menschen, nur schlechte Minutennovellen.

Használati utasítás (részlet) – In: Válogatott egyperces novellák, Budapest, Palatinus, 2004.

Quellen:
Örkény, István. 2010. Das Lagervolk. Berlin.
Schlosser, Christine. 2009. Zwei Jahrzehnte ungarische Literatur in deutscher Übersetzung. Budapest.
https://www.deutschlandfunk.de/minutennovellen.700.de.html?dram:article_id=80688
http://www.literatur.ungarisches-institut.de/?p=1910
http://orkenyistvan.hu/bekoszono
http://www.mek.oszk.hu/06300/06345/06345.htm#1

Bild: Photo by Pierre Bamin on Unsplash

Busójárás in Mohács – Karneval in Südungarn

Wie ist denn Karneval so in Ungarn? Das durfte ich letztes Wochenende endlich mal am eigenen Leib erfahren. Und diese Erfahrung möchte ich natürlich mit euch teilen. Busójárás heißt der Karneval in der knapp 20.000-Seelen-Stadt Mohács nahe der kroatischen Grenze. Zu den Einwohnern kamen noch etwa 30.000 Gäste (inkl. uns etwa 100 Erasmus-Studenten aus Szeged), die die Straßen der kleinen Stadt an der Donau füllten. Busójárás dauert insgesamt sechs Tage und endet am Tag vor Aschermittwoch. Am letzten Tag wird das große Karnevalsfeuer angezündet. Der große Holzhaufen für das Feuer steht aber schon während der Feierlichkeiten davor. Busójárás steht auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO.

Auf den Feierlichkeiten sind etwa 1000 Busós unterwegs, das sind mit volkstümlichen Masken und Fellkostümen gekleidete Männer. Oft haben sie ein Schokatz*-Mädchen an der Hand; ansonsten begegnet man immer wieder einem Jankele**. In der Stadt sind überall Stände aufgestellt, an denen Essen, Getränke oder Souvenirs verkauft werden und es gibt mehrere Bühnen, auf denen Volksmusik- oder –tanzgruppen ihre Künste präsentieren. Durch die Straßen ziehen Szekér (Wagen) mit Busóleuten drauf, die Lärm machen. Auch die Busós sind darauf aus, möglichst viel Lärm zu machen, zum Beispiel mit Kuhglocken an ihren Kostümen. Mit ihren Masken und dem Lärm wollen sie den Winter vertreiben, um Platz für den Frühling zu machen.

Die Busós sind immer auf der Suche nach Mädchen, die sie umarmen oder jagen können. Das Fest hat eine nicht so schöne Komponente, die man als Frau besonders spürt. Von den verkleideten Frauen bekommt man mit der Fliegenklatsche eins auf den Hintern und von den Männern mit dem Stock zwischen die Beine. Ab und zu bekommt man auch eine Hand voll Mehl oder Federn ab.

Als wir vormittags in Mohács ankamen, war noch nicht so viel los. Doch ab Mittag kamen immer mehr Leute, immer mehr Busós und immer mehr Bühnenprogramm. Die Stimmung war heiter, was vor allem an der ungarischen und kroatischen Volksmusik lag. Und am Alkohol, der hier und dort mal für umsonst ausgeschenkt wurde. Das Essen, das angeboten wurde, waren vor allem Fleischgerichte oder Backwaren, unter anderem der für die Festlichkeiten typische Kürtőskalács (ein aus Hefeteig über offenem Feuer gebackenes, rundes längliches Gebäck) in allen Variationen. Der Spaziergang zur Donau wurde jedes Mal zum Abenteuer, wenn ein Szekér vorbeifuhr oder eine Gruppe Hexen die Menge aufmischte. Überall wurden Fotos und Videos gemacht, denn der Samstag war der Tag, an dem die meisten Touristen kamen. Am Nachmittag konnte man auf dem Széchenyi-Platz noch ein bisschen ungarischen Volkstanz lernen: den Csárdás mit etwa 100 Leuten im Kreis zu tanzen ist schon beeindruckend.

Insgesamt war dieser Samstag ein aufregender Tag und alle, die zum ersten Mal beim Busójárás waren, schwärmen heute noch davon.

*Die Schokatzen (ung. sokácok, kroatisch šokci) sind eine kroatische Bevölkerungsgruppe, die in Kroatien, Serbien, Rumänien und im Süden Ungarns beheimatet ist.

**Die Jankele sind ebenfalls maskierte, in Lumpen gekleidete Menschen, deren Aufgabe es ist, Spaziergänger – insbesondere Kinder – von den Busós fernzuhalten. Sie haben einen Sack voller Lumpen, Mehl, Sägemehl, Asche oder Ruß dabei, womit sie auf Menschen – früher bevorzugt auf die eigenen Feinde – einprügeln.

Text: Karin Fichtner

Bild von Benjamin Sz-J. auf Pixabay

Sind die Ungarn eigentlich religiös?

Im Rahmen meines Praktikums habe ich die Aufgabe bekommen, mich mit den verschiedenen Religionen Ungarns auseinanderzusetzen. Ich habe die Informationen so zusammengetragen, dass man aus diesen Folien erstellen kann und dass sie anschließend für den Unterricht genutzt werden können.

Aufgrund der zahlreichen Informationen ist mir der Gedanke gekommen, dass dieses Thema dem Blog nicht vorenthalten bleiben soll, weswegen ich mich letztlich dazu entschieden habe, einige meiner Ergebnisse hier zu veröffentlichen.

Im Rahmen der Volkszählungen 2001 und 2011 wurde auch nach der Religionszugehörigkeit gefragt. Sowohl im Jahr 2001 als auch 2011 war der Anteil der Katholiken am größten. Die Reformierten (Kalvinisten) bilden die zweitgrößte Religionsgemeinschaft des Landes. Doch während die Mitgliederzahlen der beiden größten Religionsgemeinschaften in innerhalb von zehn Jahren deutlich abgenommen haben, steigt die Anzahl der Konfessionslosen und der Befragten, welche die Frage nach ihrer Religionszugehörigkeit unbeantwortet ließen. Auch die Zahl der Anhänger der evangelisch-lutherischen Kirche ist gesunken die Zahl der Mitglieder kleinerer christlicher Kirchen und anderer Weltreligionen, die in Ungarn vertreten sind, stieg dagegen leicht an.

Religion: 2001 (%): 2011 (%):
Katholiken 54,5 39
Reformierte
(Kalvinisten)
15,9 11,6
Lutheraner 3 2,2
Kleinere
christliche
Kirchen
1 1,5
Andere
Weltreligionen
0,3 0,5
Konfessionslos 14,5 18,2
Keine Antwort 10,8 27,2

Quelle: Máté Olga: Egyházak, vallásosság Magyarországon – Képviselői Információs Szolgálat, 2019/3. Infotabló.

Allgemein lässt sich feststellen, dass die Zahl der Mitglieder der großen Religionsgemeinschaften rückläufig ist, während an kleineren Religionen immer mehr Interesse gezeigt wird. Sowohl Einwanderung, als auch Auswanderung spielen dabei eine große Rolle, genauso wie Übertritte von einer Religion zu einer anderen.

Prognose bis 2050: Anzahl der Mitglieder von Glaubensgemeinschaften sinkt

Laut Prognosen werden christliche Glaubensgemeinschaften weiter Mitglieder verlieren, während die Zahl der Konfessionslosen wächst und das Interesse an Kirche und Religion deutlich abnimmt.

2010 20302050
Christliche
Glaubensge-
meinschaften
8 090 0007 250 000 6 500 000
Konfessionslos 1 860 0002 040 0001 990 000

Quelle: https://de.statista.com

Kirchenfinanzierung durch Mandatssteuer Was ist das?

In Ungarn gibt es statt einer Kirchensteuer eine Mandatssteuer. Die Mandatssteuer dient sozialen, kulturellen und humanitären Zwecken und wird von allen Steuerzahlern gezahlt. Der Steuerzahler kann selbst entscheiden, wer seinen Steuerbeitrag erhalten soll: so geht 1% der Einkommenssteuer an eine vom Steuerzahler selbst gewählte Organisation oder Institution. Die Mandatssteuer ist auch eine gute Alternative zur Kirchensteuer und kommt vielen kirchlichen und religiösen Einrichtungen zugute.

Die katholische und die reformierte Kirche profitieren am meisten von den Mandatssteuern, da diese auch die größten Religionsgemeinschaften Ungarns sind. Die evangelisch-lutherische Kirche, die Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein, sowie die Baptistenkirche folgen mit erheblichem Abstand, da diese Religionen auch deutlich weniger Mitglieder haben. Ein kleiner Anteil geht an andere Kirchen, das sind meist die kleineren christliche Kirchen oder Einrichtungen anderer Glaubensgemeinschaften.

Kirchliche Bildungseinrichtungen

In Ungarn waren 2019 insgesamt 10,6 % der Bildungseinrichtungen, wie zum Beispiel Schulen oder Kindergärten, in kirchlicher Trägerschaft. Die Kirche spielt in diesen Einrichtungen eine sehr große Rolle, indem sie beispielsweise vorgibt, wie die Lehrer unterrichten und welche Themenbereiche sie behandeln sollen.

Allerdings werden 89,4 % der Bildungseinrichtungen nicht von der Kirche finanziert und stehen dementsprechend nicht in einer engen Verbindung mit einer Religion.

Im Gegensatz zu Ungarn, gibt es in Deutschland deutlich mehr Bildungseinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft. Es gibt alleine 904 katholische Schulen in Deutschland (Stand 2016), welche von Kirchensteuereinnahmen finanziert werden.

Quellen:

https://fowid.de/meldung/konfessionsfreie-ungarn

Máté Olga: Egyházak, vallásosság Magyarországon – Képviselői Információs Szolgálat, 2019/3. Infotabló.

https://religion.orf.at

https://de.statista.com

https://de.wikipedia.org/wiki/Mandatssteuer

Bild: Daniel Olah on Unsplash

Text: Caroline Sophie Heimrich, OHG Göttingen, Praktikantin

Zum ersten Mal übersetzen – am Beispiel von Orbáns Berlinbesuch

Ich habe in der ersten Woche in meinem Schülerpraktikum zum ersten Mal richtig übersetzt. Obwohl ich die englische Sprache gut beherrsche, sind mir ein paar Schwierigkeiten aufgefallen. Zum Beispiel das Übersetzen von englischen Fremdwörtern ins Deutsche. Bei vielen Wörtern macht die Wort-für-Wort-Übersetzung keinen Sinn und wirkt nur verwirrend. Bei manchen Begriffen reicht auch einfach kein Wörterbuch, sondern man muss viele Artikel lesen und recherchieren, um zu verstehen, welcher Begriff der richtige ist. Eine weitere Schwierigkeit, da ich sehr nah am Text übersetzt habe, war die Lokalisierung des Textes. Ich wusste nämlich vorher nicht, dass man auch bei Übersetzungen den Text an die Leser anpassen muss. Ansonsten ist mir das Übersetzen, teilweise mit Hilfe, relativ leicht gefallen.

Übersetzungsprobe (verkürzt)

Nach einem Treffen mit dem europäischen Ratspräsidenten Charles Michel am 03. Februar in Brüssel sagt der ungarische Ministerpräsident, der nächste Sieben-Jahre-Haushalt der EU müsse eine faire Grundlage bekommen, denn die Grundidee des EU-Haushaltsentwurfs 2021-2027 sei ungerecht und enthalte Änderungen, die darauf abzielen, Geld von ärmeren Mitgliedstaaten in reichere zu verlagern. 

Nach einem Treffen in Portugal mit den Leitern der Staatengruppe der Freunde der Kohäsion, die aus Staaten aus dem Osten und dem Süden Europas besteht und die Verringerung des Kohäsionsfonds der EU verhindern will, kam Orbán am Wochenende nach Brüssel und sagte, die Mitgliedstaaten müssen sich darauf einigen, dass die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit von vorrangiger Bedeutung ist und einen Haushalt erfordert, der den Mitgliedstaaten ein Höchstmaß an Flexibilität versichert. Darüber hinaus müssten Länder, die bereit sind, Steuern zu senken, gefördert werden.

Der ungarische Ministerpräsident sagte, die europäische Wirtschaftspolitik sei in den letzten Jahren in Brüssel “ruiniert” worden, und die Folgen werden sich bald zeigen.

Die Staats- und Regierungschefs der EU werden am 20. Februar zusammenkommen, um sich über den nächsten Haushalt für die EU-27 zu beraten.



Original: https://www.intellinews.com/hungarian-pm-viktor-orban-on-diplomatic-offensive-calls-for-fair-eu-budget-175861/

Bildquelle: https://pixabay.com/de/photos/reichstagsgeb%C3%A4ude-reichstag-berlin-2838571/

Chiara Stephan, HG Göttingen, Praktikantin

Ferenc Erkel – der Komponist der ungarischen Nationalhymne

Am 22. Januar wird in Ungarn der Tag der ungarischen Kultur gefeiert. Der Dichter und Politiker Ferenc Kölcsey schrieb am 22. Januar 1823 sein Gedicht zu Ende, das später die ungarische Nationalhymne wurde. Über das Gedicht und den Dichter haben wir hier schon berichtet. Aber wer war der Komponist, der die Hymne vertonte?

Die Melodie der ungarischen Nationalhymne stammt von Ferenc Erkel (1810-1893). Erkel, im südungarischen Gyula geboren, wuchs als Spross einer donauschwäbischen Musikerfamilie auf. Von 1822 bis 1825 besuchte er das Gymnasium des Benediktinerordens in Pressburg. Sein Musiklehrer dort war der angesehene Musikpädagoge Heinrich Klein, ein Vertrauter Beethovens. In Pressburg besuchter Erkel Opernvorstellungen und Konzerte von Franz Liszt und dem Violinisten János Bihari. Mit 18 Jahren wurde er Klavierlehrer in Klausenburg.

Seinen ersten Auftritt als Klaviervirtuose hatte Erkel im Jahre 1834. Ein Jahr später zog er nach Pest und übernahm den Posten des Kapellmeisters am Deutschen Theater und am Budaer Ungarischen Theater. In sehr jungen Jahren dirigierte er bereits berühmte Opern. 

Von 1838 an war er als Dirigent am Pester Ungarischen Theater (Pesti Magyar Színház) tätig: dort baute er das Orchester und den Chor auf und gründete später die Philharmonische Gesellschaft. Im Theater traten berühmte Persönlichkeiten der Zeit auf: die Opernsängerin Róza Déryné Széppataki und der Schauspieler, Komponist und Librettist Béni Egressy. Egressy vertonte das Gedicht des ungarischen Dichters Mihály Vörösmarty Szózat, Mahnruf, das später die inoffizielle zweite Nationalhymne Ungarns wurde.

Aber zurück zu Erkel. Am 8. August 1840 wurde seine erste Oper Báthori Mária im neugegründeten Nationaltehater uraufgeführt – die ungarische Nationaloper war geboren. Später wurde Erkel erster Dirigent des Nationaltheaters und blieb hier 30 Jahre. Er war Mitbegründer, Direktor und Klaivierlehrer der Musikakademie und später übernahm er den Posten des Obermusikdirektors am 1884 gegründeten Opernhaus.

Die ungarische Nationalhymne

Um Kölcseys Hymnus zu vertonen, ließ 1844 der Direktor des Nationaltheaters einen Wettbewerb durchführen. Preisgekrönt wurde die Musik von Erkel. Die Hymne, wie sie heute gesungen wird, ist jedoch mit dem Original nicht ganz identisch, denn die ursprüngliche Version wurde in einem etwas schnelleren Tempo gespielt. Die Melodie wurde erst nach dem Friedensvertrag von Trianon (4. Juni 1920), bei dem Ungarn ein Drittel seines Gebiets verlor, langsamer und tragischer.

Im 19. Jahrhundert wurden die beiden Nationallieder Hymne und Mahnruf abwechselnd gesungen, aber in den 1850-ern Jahren gewann die Hymne allmählich an Bedeutung.

Der Opernkomponist

Erkel komponierte insgesamt neun Opern, die den Stil Rossinis mit der im 18. Jahrhunder entstandenen ungarischen Verbunkos-Musik vereinen. Das Wort Verbunkos geht auf das deutsche Wort werben zurück: diese Tanzmusik wurde nämlich ursprünglich bei der Anwerbung von Soldaten gespielt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam der Verbunkos auch in den Operhäusern an: die bekanntesten Opern Erkels, Hunyadi László und Bánk bán, waren stark von ihm beeinflusst.

Der Schachspieler

Erkel gehörte lange Zeit zu den stärksten Schachspielern Ungarns und war 28 Jahre lang Vorsitzender des Pester Schachklubs.

Die Hymne kann man hier anhören: https://www.youtube.com/watch?v=M_1XePK1DAk

Link zum Palotás aus der Oper Hunyadi László: https://www.youtube.com/watch?v=R9S-06wV0VM

Quellen:

https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_E/Erkel_Familie.xml
http://www.fszek.hu/konyvtaraink/kozponti_konyvtar/zenei_gyujtemeny/erkel_ferenc_elete_es_muvei/?article_hid=3332
Bildquelle: pixabay